B04 – Synaptische Dichte, Funktion von MTL-Kreisläufen und mikrovaskuläre Plastizität im Alterungsprozess und bei „Super-Agern“

B04

Graphical abstract B04

In der ersten Förderperiode haben wir gezeigt, dass eine verstärkte Gefäßversorgung und kleinere Abstände der umgebenden Gefäße zum Hippocampus in der medialen Temporallappenregion (MTL) mit einer besseren kognitiven Leistungsfähigkeit und größeren regionalen MTL-Volumina bei älteren Erwachsenen, einschließlich Personen mit zerebraler Mikroangiopathie (cerebral small vessel disease, CSVD), assoziiert sind. Der entorhinale Cortex (ERC) liefert seinen Input in den Hippocampus über den „perforant path“, wobei dieser Kreislauf besonders anfällig für altersbedingte Pathologien wie MTL-Tau-Akkumulationen ist. Es ist noch unklar, welche neuronalen Ressourcen den positiven Effekt der Gefäßversorgung auf die Kognition und die Integrität des MTL-Volumens vermitteln. Ebenso ist nicht geklärt, ob Mikrogefäß- und neuronale Plastizität sowie verbesserte Gedächtnisleistung durch nicht-invasive Hirnstimulation wie transkraniellen fokussierten Ultraschall (TUS) induziert werden können. In unserem aktuellen Projekt wollen wir das Zusammenspiel zwischen MTL-Gefäßversorgung, synaptischer Integrität als neuronale Ressource und Tau-Akkumulation untersuchen und ermitteln, wie diese Faktoren mit der Funktion des entorhinal-hippocampalen Netzwerks im Alter zusammenhängen. In enger Zusammenarbeit mit der Universitätsklinik Leipzig werden wir die PET-Bildgebung zur Synapsendichte etablieren, die auch in anderen Teilprojekten genutzt wird. Darüber hinaus untersuchen wir, ob wir durch gezielten TUS im ERC Mikrogefäßplastizität und MTL-Netzwerkveränderungen induzieren können, um kognitive Resilienz zu fördern.

Gruppenleitung

Prof. Dr. Henryk Barthel

SFB 1436 Mitglied Anne Maaß

Prof. Dr. Anne Maass

SFB 1436 Mitglied Stefanie Schreiber

Prof. Dr. med. Stefanie Schreiber

Prof. Dr. Henryk Barthel

Professor Dr. Henryk Barthel ist Chefarzt der Klinik für Nuklearmedizin des Städtischen Klinikums Dessau und Wissenschaftler in der Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin des Universitätsklinikums Leipzig. Er absolvierte seine nuklearmedizinische Ausbildung in Heidelberg und Leipzig. Von 2000 bis 2003 arbeitete er als Research Fellow am Imperial College Hammersmith Hospital in London. Dr. Barthels derzeitige Forschungsaktivitäten konzentrieren sich auf neue PET-Bildgebungstechniken zur Verbesserung der Diagnose und Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen sowie auf die Hybrid-Hirn-PET/MR-Bildgebung. Um den allgemeinen Fortschritt der nuklearen Hirnbildgebung zu unterstützen, ist er Mitherausgeber des Journal of Nuclear Medicine.

Prof. Dr. Anne Maass

Dr. Anne Maass leitet eine Nachwuchsforschergruppe am DZNE (seit 2019). In ihrer Forschung nutzt sie multimodale Bildgebungsverfahren um besser zu verstehen, wie sich das Gehirn und dessen Funktion im Alter und in altersbedingten Erkrankungen wie der Alzheimer Krankheit verändert. In ihrer früheren Forschungsarbeit nutzte sie z.B. hochauflösendes funktionelles MRT um Gedächtnisnetzwerke im Medialen Temporallappen und dessen Plastizität im Alter zu untersuchen. Während ihrer Post Doktorandenzeit in UC Berkeley kombinierte sie funktionelles MRT und molekulare Bildgebung (PET), die es ermöglicht Alzheimer Proteine im Gehirn sichtbar zu machen. Dabei erforschte sie wie Tau und Amyloid-beta Proteine, die sich bei der Alzheimer Erkrankung im Gehirn ablagern, die Hirnfunktion und Gedächtnisnetzwerke beeinträchtigen. Am DZNE führt sie diese Forschung fort und versucht mit Hilfe multimodaler Bildgebungsverfahren (z.B. PET, fMRT) zu verstehen, was zur Ausbreitung von Alzheimer Pathologie führt und warum manche Menschen resistent dagegen sind (keine Ablagerungen entwickeln) oder andere trotz Pathologie kognitiv unbeeinträchtigt bleiben (resilient sind). Im SFB1436 leitet sie das  Z03 Projekt gemeinsam mit Prof. Düzel and Prof. Kreissl sowie das Projekt B04 gemeinsam mit  Esther Kühn und Stefanie Schreiber (Co-PI: Nadine Diersch).

Prof. Dr. med. Stefanie Schreiber

Als forschende Neurologin gilt mein Hauptaugenmerk der Entwicklung eines besseren Verständnisses der bisher viel zu oft schicksalhaften neurodegenerativen Erkrankungen des zentralen und peripheren Nervensystems. Dabei liegt der Schwerpunkt meiner Arbeitsgruppe auf der neuropathologischen Kaskade welche über die Schädigung der kleinsten Hirngefäße (zerebrale Mikroangiopathie) zu einer Verringerung des zerebralen Blutflusses sowie zur Beeinträchtigung des glymphatischen Systems bis hin zu allen Formen von Demenz führt. Hierzu untersuchen wir die Entstehung und Entwicklung dieser Erkrankung anhand von Tiermodellen und innerhalb einer am Standort Magdeburg rekrutierten Patientenkohorte. Auf Grundlage des erarbeiteten mechanistischen Verständnisses der Krankheitsprogression entwickeln wir neue Marker basierend auf multimodaler Bildgebung, Biofluiden und kognitiven Tests mit dem Ziel innovative Präventions-, Diagnose- und Therapieansätze zu abzuleiten.

Gruppenmitglieder

SFB 1436 Mitglied Jonas Marquardt

Jonas Marquardt

SFB 1436 Mitglied Niklas Vockert

Niklas Vockert

Jonas Marquardt

Seit Mai 2021 arbeite ich als Doktorand am DZNE im SFB Projekt B04. Ich habe ein abgeschlossenes Studium der Psychologie und interessiere mich besonders für Kognitions- & Neurowissenschaften. Thematisch beschäftige ich mich mit Neuroplastizität, räumlicher Orientierung, digitalen Markern für kognitive Gesundheit und maschinellem Lernen.

Niklas Vockert

Ich bin Doktorand am DZNE mit einem Hintergrund in mathematischer und computergestützter Modellierung von biologischen Prozessen. Generell untersuche ich Fragestellungen zum Konzept „Reserve“ (z.B. kognitive Reserve, Resistenz, Resilienz) in Bezug auf Altern und (neurodegenerative) Krankheiten mithilfe von multimodalen Bildgebungsverfahren des Gehirns. Mein Hauptaugenmerk liegt dabei auf dem Zusammenhang der Vaskularisation des Hippocampus mit verhaltensbezogenen Maßen sowie strukturellen und funktionellen Maßen aus MRT-Aufnahmen, die ich auch im Rahmen des Teilprojekts B04 in diesem SFB analysieren werde.

Warum konzentrieren wir uns auf den medialen Temporallappen?

Der mediale Temporallappen (MTL) umfasst unter anderem den Hippocampus und den angrenzenden entorhinalen Cortex. Diese beiden Bereiche bilden einen neuronalen Kreislauf, der wesentlich an der Bildung des episodischen Gedächtnisses und der räumlichen Navigation beteiligt ist. Gleichzeitig ist der MTL besonders von altersbedingten Veränderungen betroffen, sowohl in Bezug auf normales als auch pathologisches Altern. Die mit der Alzheimer Krankheit verbundenen Tau-Protein-Ablagerungen im MTL erklären etwa 20 % der Varianz der episodischen Gedächtnisleistung bei gesunden älteren Personen (Maass et al., 2018). Eine zentrale Frage ist, welche neuronalen Ressourcen zur Erhaltung oder Anfälligkeit dieses Kreislaufs bei altersbedingter Degeneration beitragen. Der Begriff „neuronale Ressourcen“ umfasst dabei Strukturen und Prozesse im Gehirn (z. B. höherer Blutfluss, Synapsendichte, Volumen oder Myelin), die kognitive Funktionen beeinflussen und interindividuell variieren können.

Ein vielversprechender Faktor:
die Gefäßversorgung des Hippocampus

Der Hippocampus kann sowohl von der anterioren choroidalen Arterie als auch von der posterioren zerebralen Arterie versorgt werden (Erdem et al., 1993; Marinkovic et al., 1992). Einige Individuen haben eine verstärkte hippocampale Versorgung durch beide Arterien, während andere lediglich eine Basisversorgung durch die posterioren zerebralen Arterien erhalten. Dies wurde mittels hochauflösender Bildgebung in vivo bestätigt (Perosa et al., 2020; Spallazzi et al., 2019). Unsere früheren Untersuchungen ergaben, dass eine verstärkte Gefäßversorgung mit besseren kognitiven Leistungen sowie größerem anterioren Hippocampus- und entorhinalen Volumen einhergeht (Perosa et al., 2020; Vockert et al., 2021).

Zusätzlich haben wir eine neue Methodik etabliert, das „Vessel Distance Mapping“ (VDM), um die Gefäßversorgung als kontinuierliche Metrik zu erfassen. VDM berechnet für jedes Voxel den Abstand zum nächsten Gefäß und ermöglicht so eine datengetriebene Analyse der Gefäßdichte und -muster (Garcia-Garcia*, Mattern* et al., 2023). Verschiedene Metriken wie „Global VDM“ und „Center of Mass Distance“ lassen sich daraus ableiten. VDM zeigte, dass bei Vorliegen einer Pathologie, z. B. CSVD, größere Abstände der hippocampalen Arterien mit schlechteren kognitiven Leistungen verbunden sind (Garcia-Garcia*, Mattern* et al., 2023).

In-vivo-Bildgebung der Synapsendichte

Bis vor kurzem konnte die Synapsendichte beim Menschen nur post mortem untersucht werden. Mit der Entwicklung von PET-Tracern wie [18F]SynVesT-1, die an das synaptische Vesikel-Glykoprotein 2A binden, ist es nun möglich, die Synapsendichte im lebenden Gehirn zu messen. SV2A wird ubiquitär an (präsynaptischen) Nervenendungen im gesamten Gehirn exprimiert und spielt eine entscheidende Rolle für die normale synaptische Funktion. Bei der Alzheimer Krankheit zeigten PET-Studien bisher unter anderem reduzierte MTL- und hippocampale synaptische Dichte in frühen Krankheitsstadien (Mecca et al., 2020). Darüber hinaus wurde eine verringerte Synapsendichte, bestimmt durch PET-Bildgebung, mit einer höheren Tau-Last (Mecca et al., 2022), einer reduzierten funktionellen und strukturellen Konnektivität (Zhang et al., 2023) sowie einer verringerten Diffusivität der grauen Substanz (Silva-Rudberg et al., 2024) in Verbindung gebracht. Interessanterweise zeigten Mecca und Kollegen (Mecca et al., 2020), dass eine mehr Tau-Pathologie im ERC mit einer geringeren Synapsendichte im Hippocampus assoziiert war, der über den „perforant path“ starke Projektionen vom ERC erhält. Während diese und auch frühere post-mortem-Studien querschnittlich sind, so ist die Annahme, dass Tau den Verlust der Synapsendichte antreibt. Allerdings ist die Assoziation zwischen regionaler Synapsendichte und Tau-Ablagerungen wahrscheinlich regions- und krankheitsspezifisch, sodass in frühen Stadien Regionen mit höherer Synapsendichte mehr Tau-Belastung aufweisen, während im Verlauf die tau-induzierte Toxizität zu einem Synapsenverlust führt (Holland et al., 2022), gefolgt von Neurodegeneration. Es ist noch unklar, wie die Synapsendichte im MTL mit der lokalen Netzwerkfunktion und der Gefäßversorgung zusammenhängt. In unserem aktuellen Projekt wollen wir die PET-Bildgebung der Synapsendichte bei kognitiv normalen älteren Erwachsenen und SuperAgers etablieren.

Projektziele

In einer Gruppe kognitiv gesunder älterer Erwachsener (Z03-Kohorte) mit bekanntem Tau-Pathologiestatus, einschließlich SuperAger, untersuchen wir zunächst den Zusammenhang zwischen MTL-Gefäßversorgung, synaptischer Dichte und Tau-Ablagerungen. Wir vermuten, dass eine bessere Gefäßversorgung mit einer höheren synaptischen Dichte/Integrität assoziiert ist und dass beide Faktoren mit einer besseren MTL-Netzwerkfunktion verknüpft sind. Hierzu nutzen wir ultra-hochauflösende vaskuläre, funktionelle und strukturelle 7T-MRT mit Hilfe des neuen 7T-Connectome-Scanners.

Gemeinsam mit dem Subprojekt B02 untersuchen wir weiterhin, ob Mikrogefäßveränderungen durch gezielte TUS im MTL und Gyrus fusiformis induziert werden können und ob diese Änderungen MTL-Netzwerkveränderungen fördern, die mit besseren Gedächtnisleistungen assoziiert sind.

Unsere zentralen Forschungsfragen

  1. Ist die synaptische Dichte/Integrität eine Schlüsselressource für SuperAging, und wie hängt dieser Parameter mit der Gefäßversorgung und Tau-Pathologie im MTL zusammen?
  2. Wie beeinflussen MTL-Gefäßversorgung und synaptische Dichte die MTL-Netzwerkaktivität? Sind Tau-Last und verschlechterte Gefäßversorgung direkt verknüpft oder haben sie additive Effekte auf Synapsenverlust und Netzwerkversagen?
  3. Kann fokussierter TUS MTL-Gefäßplastizität induzieren, und hängt dieser Effekt von der Gefäßversorgung ab?

Zukunftsausblick

Langfristig planen wir, diese Techniken in die klinische Anwendung zu überführen und auf größere Patientenkohorten auszudehnen, beispielsweise mit Mikrogefäßkrankheiten oder Amyloid-Positivität. Sollte sich TUS als erfolgversprechend erweisen, könnte es in einer groß angelegten klinischen Studie weiter untersucht werden.

EEG Messung am Gehirn von Proanden

Publikationen des Projektes B04