A01 – Bedeutung NMDA-Rezeptor-abhängiger präfrontaler Schaltkreise für kognitive Flexibilität

A01

Der NMDA-Rezeptor-Komplex ist entscheidend für kognitive Flexibilität, aber seine klinisch nutzbaren Eigenschaften und Potential noch weitgehend unklar. Wir werden daher die molekularen und zellulären Eigenschaften des NMDA-Rezeptor-Komplex mit einem komplementären molekular-biochemischen und verhaltenspharmakologischen Ansatz untersuchen und uns dabei auf den präfrontalen Kortex und assoziierte Schaltkreise konzentrieren. Unser Ziel ist es, neue Ansatzpunkte für therapeutische Interventionsstrategien bei Defizite der kognitiven Flexibilität im Alter und bei neurodegenerativen Erkrankungen zu finden und generell das Potenzial NMDA-Rezeptor abhängiger Schaltkreise zu erschließen.

Gruppenleitung

SFB 1436 Mitglied Daniela Dieterich

Prof. Dr. Daniela Dieterich

SFB 1436 Mitglied Markus Fendt

Prof. Dr. Markus Fendt

Prof. Dr. Thomas Nickl-Jockschat

Prof. Dr. Daniela Dieterich

Daniela C. Dieterich richtete sich bereits sehr frühzeitig auf die Untersuchung relevanter Fragestellungen, die sich mit der Erforschung von neuronalen Schädigungen und synaptischer Plastizität beschäftigen. Für ihre Forschung kommt ein eigens von ihr entwickeltes experimentelles Werkzeug zum Einsatz – die metabolische Markierung de novo synthetisierter Proteine mittels funktionalisierter molekularer Grundbausteine. Mittels dieser Methodik widmet sie sich der Regulation neuronaler und gliärer Proteinhomöostase unter physiologischen und pathophysiologischen Bedingungen.

Prof. Dr. Markus Fendt

Markus Fendt ist Leiter einer Forschungsgruppe am Institut für Pharmakologie und Toxiologie der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Seine Gruppe erforscht die neuropharmakologischen Grundlagen emotionaler und kognitiver Gehirnsysteme mit einem besonderem Interesse an Verhaltens- Endophänotypen neuropsychiatrischer Störungen. Dazu werden verschiedene Verhaltensparadigmen in Kombination mit molekularen und immunhistochemischen Analysen sowie systemischen und lokalen pharmakologischen und chemogenetischen Manipulationen an Wildtyp- und genetisch veränderten Labornagern eingesetzt.

Gruppenmitglieder

SFB 1436 Mitglied Samia Afzal

Dr. Samia Afzal

SFB 1436 Mitglied Julius Duske

Julius Duske

SFB 1436 Mitglied Peter Landgraf

Dr. Peter Landgraf

Platzhalter SFB 1436 Magdeburg Mitglieder kein Foto

Dr. Rainer Pielot

Dr. Samia Afzal

Samia Afzal ist seit Januar 2023 Postdoktorandin am Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Zuvor promovierte sie im Bereich der molekularen Biomedizin an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, wo sie die erfahrungsabhängige makroskopische Plastizität des Gehirns anhand verschiedener tierexperimenteller Ansätze analysierte. Derzeit untersucht sie Faktoren, die die kognitive Flexibilität verbessern/beeinträchtigen können, indem sie sich im Rahmen des Projekts A01 (Forschungsbereich A) im SFB auf die NMDA-Rezeptor-Signalübertragung im präfrontalen Kortex konzentriert. Ihr Hauptforschungsinteresse besteht darin, zellbiologische, molekulare und proteomische Methoden in Kombination mit Verhaltensmessungen der kognitiven Flexibilität bei Mäusen einzusetzen, um die Rolle des NMDA-Rezeptor-Signalkomplexes bei der kognitiven Flexibilität zu verstehen.

Julius Duske

Ich bin Medizinstudent an der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg und pausiere seit Oktober 2022 mein Studium, um am Institut für Pharmakologie und Toxikologie für meine Doktorarbeit zu forschen. Als Teil des Projekts A01 beim SFB1436 beschäftige ich mich mit dem Einfluss, den Störungen des circadianen Rhythmus auf die kognitive Flexibilität ausüben. Vor allem mit dem Neuropeptid Orexin, welches für die Regulation des Schlaf-Wach-Rhythmus eine wichtige Rolle spielt, befasse ich mich und möchte herausfinden, inwiefern Defizite der kognitiven Flexibilität bei chronischem Jetlag ausgesetzten Mäusen mit orexinerger Modulation zu beheben sind.

Dr. Peter Landgraf

Peter studierte an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Biologie und Biochemie und schloss das Studium als Diplom-Biologe ab. Er promovierte später zum Dr. rer. nat. an derselben Universität und wurde 2000 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Labor von Michael R. Kreutz am Leibniz-Institut für Neurobiologie (LIN) und bei Hans-Christian Pape am Institut für Physiologie der Medizinischen Fakultät. 2009 wechselte Peter in die Emmy-Noether-Forschungsgruppe von Daniela C. Dieterich am LIN und folgte ihr 2012 an das Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, wo er als Senior Scientist und Dozent für Pharmakologie und Toxikologie tätig ist. Sein Forschungsinteresse richtet sich auf den Proteinturnover in Neuronen und Astrozyten sowie auf moderne metabolische Markierungstechnologien, wie NCAT’s.

Warum ist kognitive Flexibilität wichtig?

Bessere kognitive Flexibilität wird im Allgemeinen mit positiven Fähigkeiten wie flexiblem Denken, Kreativität, Widerstandsfähigkeit gegenüber negativen Lebensereignissen und der Fähigkeit, die Gefühle, Gedanken und Absichten anderer zu verstehen, in Verbindung gebracht. Einfach ausgedrückt: Kognitive Flexibilität hat positive Auswirkungen auf die Lebensqualität.

Wie lässt sich die kognitive Flexibilität bei Menschen und Mäusen messen?

Für Menschen gibt es Tests wie den computergestützten CANTAB (Cambridge Neuropsychological Test Automated Battery) oder den Wisconsin Card Sorting Test. Diese Tests sind sensitiv bezüglich positiver und negativer pharmakologischer, genetischer und Umwelteinflüsse bei gesunden und kranken Menschen.

Bei Labormäusen verwenden wir zur Messung der kognitiven Flexibilität den Attentional Set-Shifting Task (ASST). Dieser Test umfasst mehrere kognitive Transfers wie Umkehrlernen und intra- und extradimensionale Transfers. Für unsere Forschung verwenden wir die „digging version“ des ASST. Bei dieser Version wird eine Futterbelohnung in einer von zwei Schalen präsentiert; diese Schalen haben unterschiedliche Gerüche und unterschiedliche Füllmaterialien, in denen die Futterbelohnung versteckt ist. Die Maus muss lernen, dass entweder ein bestimmter Geruch oder ein bestimmtes Material die Belohnung vorhersagt, während adere Reize ignoriert werden müssen. Im Verlauf des Tests werden die Bedingungen immer wieder geändert und auch neue Gerüche und Materialien verwendet, sobald eine Maus eine bestimmte Bedingung gelernt hat.

Welche Faktoren beeinflussen die kognitive Flexibilität?

Viele Faktoren können kognitive Flexibilität beeinträchtigen, z. B. das Altern und Krankheiten, die von neuropsychiatrischen Erkrankungen (z. B. Depressionen, Autismus-Spektrum-Störungen und posttraumatische Belastungsstörungen) bis hin zu neurologischen Störungen (z. B. Alzheimer) reichen. Neuropathologisch gesehen sind Funktionsstörungen der neuronalen Schaltkreise im präfrontalen Kortex und die Dysregulation von NMDA-Rezeptoren Faktoren, die zu einer Beeinträchtigung der kognitiven Flexibilität führen. Eine bessere kognitive Flexibilität kann auch in bestimmten Entwicklungsphasen (frühe Kindheit, Pubertät), bei positiven Emotionen, nach kognitivem Training („Gehirnjogging“) und nach aerobem Sport gemessen werden. Pharmakologisch gesehen kann eine positive Modulation der NMDA-Rezeptor-Signalübertragung die kognitive Flexibilität verbessern und dadurch alters- oder krankheitsbedingte Defizite ausgleichen.

Welche Gehirnregionen sind für
die kognitive Flexibilität wichtig?

Kognitive Flexibilität wird mit einem bestimmten Schaltkreis im präfrontalen Kortex in Verbindung gebracht. Studien an Labornagern haben gezeigt, dass der orbitofrontale Kortex eine Schlüsselrolle beim Umkehrlernen spielt, während der anteriore cinguläre Kortex und der mediale präfrontale Kortex (beim Menschen: dorsolateraler präfrontaler Kortex) für intra- bzw. extradimensionale Transfers wichtig sind.

Was ist der NMDA-Rezeptor?

Glutamatrezeptoren sind die am häufigsten vorkommenden erregenden Rezeptoren im Vorderhirn von Säugetieren und werden unter anderem für synaptische Plastizität, Lernen und Gedächtnis benötigt. Der NMDA-Rezeptor ist einer der drei ionotropen Glutamatrezeptoren, die zwei obligatorische NMDAR-Typ-1-Untereinheiten (GluN1) in Kombination mit zwei regulatorischen GluN2 (GluN2A-D) und/oder GluN3 (GluN3A-B) Untereinheiten enthalten. Viele Studien haben gezeigt, dass sich die Expression dieser regulatorischen Untereinheiten während der Entwicklung sowie bei einigen Krankheiten verändert.

Sowohl eine Über- als auch eine Unterfunktion von NMDA-Rezeptoren kann zur Pathophysiologie von Krankheiten beitragen. Eine Überfunktion und Überexpression von NMDA-Rezeptoren kann Exzitotoxizität verursachen, die bei einigen neurodegenerativen Erkrankungen eine Rolle spielt und auch durch das Altern verstärkt werden kann. Eine Unterfunktion von NMDA-Rezeptoren ist zum Beispiel an der Beeinträchtigung der synaptischen Plastizität beteiligt. Das bedeutet, dass für ein gesundes Gehirn und eine gesunde kognitive Flexibilität eine normale, so genannte „physiologische“ Funktion des NMDA-Rezeptors erforderlich ist.

Was ist unsere Hypothese?

Publizierte Befunde deuten darauf hin, dass die verschiedenen Komponenten des NMDA-Rezeptors (z. B. seine Untereinheiten) sowie die damit verbundenen Signalwege und Gerüstproteine eine unterschiedliche Rolle bei der kognitiven Flexibilität spielen. Unsere Hypothese ist, dass eine spezifische Modulation bestimmter Komponenten des NMDA-Rezeptors Defizite in der kognitiven Flexibilität beheben kann. Darüber hinaus gehen wir davon aus, dass diese Komponenten von umweltbedingten und/oder lebensgeschichtlichen Faktoren beeinflusst werden, die eine wichtige Rolle bei der altersbedingten kognitiven Beeinträchtigung beim Menschen spielen und somit zur individuellen kognitiven Flexibilität beitragen.

Was ist das Ziel unseres Projektes?

Das Ziel des Projekts ist es, die Rolle des NMDA-Rezeptors, seiner Untereinheiten und seiner Signalwege bei kognitiver Flexibilität zu verstehen, indem wir modernste molekulare, zellbiologische und proteomische Methoden in Kombination mit Verhaltenstests zur kognitiven Flexibilität bei Mäusen einsetzen. Auf der Grundlage dieses Wissens hoffen wir, pharmakologische Interventionen entwickeln zu können, die in der Lage sind, eine beeinträchtigte kognitive Flexibilität zu verbessern.

Publikationen des Projektes A01