Neurale Ressourcen der mnemonischen Diskrimination und ihre Interaktion mit verborgener Pathologie bei älteren Erwachsenen und SuperAgern

B02

B02_graphical-abstract

Unser Gedächtnis beruht auf einer Verschaltung von spezialisierten, miteinander verbundenen Gehirnregionen. Diese Spezialisierung trennt dabei teilweise Funktionen, die für Präzision in der Erinnerung verantwortlich sind von solchen, die Inhalte miteinander assoziieren. In diesem Projekt wollen wir verstehen, wie sich ein Training der Erinnerungspräzision auf die allgemeine Gedächtnisleistung, insbesondere auf die Fähigkeit Erinnerungen miteinander zu assoziieren, auswirkt. Wir werden untersuchen, ob ältere Erwachsene mehr oder weniger profitieren als jüngere. Zudem werden wir auch schauen ob ‚Super Ager‘ mehr Spielraum für Verbesserungen haben, oder ob sie bereits am Limit Ihrer Gedächtnisfunktionen sind. Außerdem werden wir neue Technologien einsetzen, um das Vorkommen von Tau-Protein, einem bekannten Risikofaktor für Alzheimer-Demenz, im Gehirn zu messen, um festzustellen ob dieses die Trainings- und Transfereffekte vermindert. Folgen Sie uns auf unserer Reise zu diesen faszinierenden Fragen.

Gruppenleitung

SFB 1436 Mitglied Radoslaw Martin Cichy

Prof. Dr. Radoslaw Martin Cichy

SFB 1436 Mitglied Emrah Düzel

Prof. Dr. med. Emrah Düzel

Prof. Dr. Radoslaw Martin Cichy

Radek Cichy ist ein Kognitionswissenschaftler und Leiter der Gruppe Neuronale Dynamik Visueller Kognition an der Freien Universität Berlin. Seine Arbeitsgruppe erforscht wie das Gehirn den konstanten Fluss der auf die Retina reffenden Photonen in eine bewusste, aus Objekten bestehende und geordnete Wahrnehmung übersetzt. Zu diesem Zweck kombiniert die Arbeitsgruppe Methoden aus verschiedenen Disziplinen: Verhaltensmessungen aus der Psychologie, Hirnmessungen aus den Neurowissenschaften und maschinelles Lernen sowie konnektionistische Modellierung aus den Computerwissenschaften. Radek Cichy ist Empfänger der Förderung durch das Emmy Noether Programm sowie des ERC Starting Grants. Er ist Direktor des Center for Cognitive Neurocience Berlin an der FUB.

Prof. Dr. med. Emrah Düzel

Als Neurologe beschäftigt sich Emrah Düzel mit der funktionellen Anatomie menschlicher episodischer Gedächtnisnetzwerke, neuromodulatorischen Schaltkreisen, ihren klinischen und mechanistischen Veränderungen bei Alterung und Neurodegeneration und ihren Möglichkeiten der Plastizität. Er leitet das Institut für Kognitive Neurologie und Demenzforschung sowie die Gedächtnisambulanz an der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg. Als Sprecher des Magdeburger Standortes des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE, Helmholtz-Gemeinschaft) unterstützt er die Durchführung und Auswertung von bildgebenden und kognitiven Maßnahmen zur frühen Alzheimer-Erkrankung. Außerdem ist er Teilzeitgruppenleiter am Institute of Cognitive Neuroscience am Universitäts-College London, Fellow der Max-Planck School of Cognition und Mitbegründer des Digital Health Start-ups neotiv. Innerhalb des neu gegründeten Deutschen Netzwerks der Gedächtnisambulanzen koordiniert er eine Arbeitsgruppe zu Digital Health und Telemedizin.

Gruppenmitglieder

Platzhalter SFB 1436 Magdeburg Mitglieder kein Foto

Yi Chen

SFB 1436 Mitglied Panagiotis Iliopoulos

Panagiotis Iliopoulos

SFB 1436 Mitglied Boyan Rong

Boyan Rong

SFB 1436 Mitglied Sophia Engler

Sophia Engler

Panagiotis Iliopoulos

Ich bin derzeit Doktorand an der Universitätsklinik Magdeburg unter der Betreuer von Prof. Emrah Düzel und Prof. Radoslaw Cichy (FU Berlin). Ich habe mein Masterstudium der kognitiven Neurowissenschaften an der LMU München mit den Schwerpunkten Neuroimaging, menschliches Gedächtnis und kognitive Kontrolle abgeschlossen. Die Schwerpunkte meiner Forschung liegen in den Fragestellungen, wie unser Gehirn das Gedächtnis unterstützt, einschließlich der Schlüsselbereiche im medialen Temporallappen und darüber hinaus, und wie sich dies aufgrund von Alterung, Krankheit und Interventionen wie kognitivem Training verändert.

Boyan Rong

Boyan Rong derzeit als Doktorand an der Freien Universität Berlin unter der Betreuung von Prof. Radoslaw Cichy und unter der Co-Betreuung von Prof. Emrah Düzel, tätig. Den Master in Elektrotechnik, mit Schwerpunkt datengesteuerter Analyse und Berechnung, hat er an der Columbia University abgeschlossen. In seiner Doktorarbeit beschäftigt sich Boyan Rong mit den Fragen, wie kognitives Training den visuellen Kortex beeinflusst und wie man Computer-Vision-Methoden nutzen kann, um das menschliche Sehen zu untersuchen.

Sophia Engler

Ich studiere Medizin an der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg und werde ab Oktober 2023 mein Studium für ein Jahr unterbrechen, um mich auf meine Forschung im Projekts B02 zu konzentrieren. In meiner Arbeit werde ich die Auswirkungen von kognitivem Training bei älteren Erwachsenen auf die Gedächtnisleistung und Plastizität untersuchen. Dabei werde ich die strukturellen Veränderungen im Gehirn analysieren und auch die Bedeutung von versteckten Pathologien untersuchen.

Die Gedächtnis-Schaltkreise

Ein Hauptelement des Gedächtnisses ist das hippocampal-entorhinale Netzwerk (HC-EC). Bestimmte Anteile dieses Netzwerks ermöglichen Erinnerungspräzision durch Separierung von ähnlichen Gedächtnisinhalten (‚pattern separation‘). Andere Teile sorgen eher für den assoziativen Abruf (‚pattern completion‘). Interessanterweise scheint es dabei eine gewisse Trennung von Objekt- („was“) und Kontextinformation („wo“) zu geben. In gesunden Erwachsenen wird zur Verarbeitung von einzelnen Objekten ein Netzwerk im Gehirn genutzt, die mit den typischen Regionen überlappt, die bei der Entstehung der Alzheimer Erkrankung relativ früh Tau-Protein ansammeln. Möglicherweise wird dieses Netzwerk daher auch bei bei gesunden Personen von sehr früher Tau-Protein Ansammlung gestört. Wir werden hochauflösende Kernspintomographie nutzen, um die Trennung des Informationsflusses für diese Objekt- und Kontextinformation in jungen und älteren Erwachsenen zu untersuchen. Messungen auf der Skala kleinräumiger, submillimeter Verschaltungen (‚meso-scale‘) sind technisch schwierig und erfordern bei Untersuchungen an Menschen ein Hochfeld-MRT mit 7 Tesla Feldstärke. In Zusammenarbeit mit dem Projekt Z03 werden wir auch Daten aus der Tau-PET Bildgebung erhalten, die uns verraten in welchen Gehirnregionen unsere Teilnehmer eventuell versteckte Tau-Protein-Ablagerungen haben. Zusätzlich bekommen wir Informationen über Amyloid-Ablagerungen. Das wird uns erlauben zum ersten Mal mit dieser räumlichen Auflösung die neuronalen Ressourcen in der Erinnerungspräzision unter Amyloid- und Tau-Ablagerung im Alter zu untersuchen.

Kognitives Training im Alter und bei ‚Super Agern‘

Bisher weiß man nur wenig über die Möglichkeit, durch kognitives Training bei älteren Erwachsenen und ‚Super Agern‘ die Erinnerungspräzision zu verbessern. Neuere Daten lassen darauf schließen, dass die Untersuchung dieser Frage die funktionelle Anatomie auf Ebene einzelner Netzwerke der Erinnerungsbildung im medialen Temporallappen berücksichtigen muss, sowie auf das Vorhandensein ‚versteckter‘ Pathologien (z.B. Amyloid oder Tau-Protein). Zudem wissen wir sehr wenig über die Mechanismen die Gedächtnisverbesserungen ermöglichen können. An diesem Punkt wollen wir ansetzen. Dazu werden wir uns mit der Frage beschäftigen ob ‚Super Ager‘ überhaupt von einem weiterem Training profitieren, oder bereits an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit sind.

Gedächtnis, oder visuelle Wahrnehmung, oder beides?

Wenn wir Gedächtnis-Präzision trainieren, trainieren wir auch solche Regionen im Gehirn, die visuelle Information verarbeiten. Daher ist es wahrscheinlich, dass das Training auch die Funktion der visuellen Regionen verbessert. Eine wichtige Möglichkeit ist, dass jede beobachtete Verbesserung des Gedächtnisses lediglich auf der verbesserten Funktion der visuellen Regionen beruht. Um diese Möglichkeit zu untersuchen, ist Expertise im Bereich der visuellen Verarbeitung erforderlich. Unser Projekt bringt Forscher mit Expertise in visueller Verarbeitung und Erinnerungsbildung zusammen.

Unser Studiendesign

Unsere Forschung ist als Längsschnittstudie über einen längeren Zeitraum angelegt (‚longitudinal design‘). Wir werden unsere Teilnehmer für 3 Monate mit einem internetbasierten, spielähnlichen Trainingsprogramm trainieren. Vor und nach dem Training werden wir mittels räumlich und zeitlich hochauflösendem MRT verschiedene Messungen zur Funktion und Konnektivität des Gehirns durchführen. Im Training selber sollen die Teilnehmer lernen ähnlich aussehende Bilder von entweder ganzen Szenen oder einzelnen Objekten zu unterscheiden.

Forschungsziele – Fragen:

Dieses Projekt soll Informationen zur Kapazität und Plastizität von Gedächtnisfunktionen im Alter liefern:

  1. Was sind die Trainings- und Transfereffekte von Gedächtnis-Präzisionstraining (z.B. bessere Erinnerungsfähigkeit), und welche Einflüsse auf andere Gedächtnisfunktionen gibt es?
  2. Wie beeinflussen Alter und versteckte pathologische Veränderungen (z.B. Tau-Ablagerungen im Gehirn) diese Effekte?
  3. Was sind die strukturellen Grundlagen dieser Effekte im Gehirn, bei Personen mit oder ohne pathologische Veränderungen?
  4. Was sind die funktionellen Grundlagen dieser Effekte?

Ausblick

Das Verständnis der Gehirnplastizität und Transferkapazität neurokognitiver Schaltkreise wird neue Einsichten in die Funktionsweise neuronaler Ressourcen im Alter ermöglichen. Die Langzeitperspektive ist eine neurowissenschaftliche Theorie, die die Möglichkeiten und Grenzen kognitiven Trainings bei älteren Menschen mit und ohne versteckte Pathologie erklärt.

Publikationen