B02
Unser Gedächtnis beruht auf einer Verschaltung von spezialisierten, miteinander verbundenen Gehirnregionen. Diese Spezialisierung trennt dabei teilweise Funktionen, die für Präzision in der Erinnerung verantwortlich sind von solchen, die Inhalte miteinander assoziieren. In diesem Projekt wollen wir verstehen, wie sich ein Training der Erinnerungspräzision auf die allgemeine Gedächtnisleistung, insbesondere auf die Fähigkeit Erinnerungen miteinander zu assoziieren, auswirkt. Wir werden untersuchen, ob ältere Erwachsene mehr oder weniger profitieren als jüngere. Zudem werden wir auch schauen ob ‚Super Ager‘ mehr Spielraum für Verbesserungen haben, oder ob sie bereits am Limit Ihrer Gedächtnisfunktionen sind. Außerdem werden wir neue Technologien einsetzen, um das Vorkommen von Tau-Protein, einem bekannten Risikofaktor für Alzheimer-Demenz, im Gehirn zu messen, um festzustellen ob dieses die Trainings- und Transfereffekte vermindert. Folgen Sie uns auf unserer Reise zu diesen faszinierenden Fragen.
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Die Gedächtnis-Schaltkreise
Ein Hauptelement des Gedächtnisses ist das hippocampal-entorhinale Netzwerk (HC-EC). Bestimmte Anteile dieses Netzwerks ermöglichen Erinnerungspräzision durch Separierung von ähnlichen Gedächtnisinhalten (‚pattern separation‘). Andere Teile sorgen eher für den assoziativen Abruf (‚pattern completion‘). Interessanterweise scheint es dabei eine gewisse Trennung von Objekt- („was“) und Kontextinformation („wo“) zu geben. In gesunden Erwachsenen wird zur Verarbeitung von einzelnen Objekten ein Netzwerk im Gehirn genutzt, die mit den typischen Regionen überlappt, die bei der Entstehung der Alzheimer Erkrankung relativ früh Tau-Protein ansammeln. Möglicherweise wird dieses Netzwerk daher auch bei bei gesunden Personen von sehr früher Tau-Protein Ansammlung gestört. Wir werden hochauflösende Kernspintomographie nutzen, um die Trennung des Informationsflusses für diese Objekt- und Kontextinformation in jungen und älteren Erwachsenen zu untersuchen. Messungen auf der Skala kleinräumiger, submillimeter Verschaltungen (‚meso-scale‘) sind technisch schwierig und erfordern bei Untersuchungen an Menschen ein Hochfeld-MRT mit 7 Tesla Feldstärke. In Zusammenarbeit mit dem Projekt Z03 werden wir auch Daten aus der Tau-PET Bildgebung erhalten, die uns verraten in welchen Gehirnregionen unsere Teilnehmer eventuell versteckte Tau-Protein-Ablagerungen haben. Zusätzlich bekommen wir Informationen über Amyloid-Ablagerungen. Das wird uns erlauben zum ersten Mal mit dieser räumlichen Auflösung die neuronalen Ressourcen in der Erinnerungspräzision unter Amyloid- und Tau-Ablagerung im Alter zu untersuchen.
Kognitives Training im Alter und bei ‚Super Agern‘
Bisher weiß man nur wenig über die Möglichkeit, durch kognitives Training bei älteren Erwachsenen und ‚Super Agern‘ die Erinnerungspräzision zu verbessern. Neuere Daten lassen darauf schließen, dass die Untersuchung dieser Frage die funktionelle Anatomie auf Ebene einzelner Netzwerke der Erinnerungsbildung im medialen Temporallappen berücksichtigen muss, sowie auf das Vorhandensein ‚versteckter‘ Pathologien (z.B. Amyloid oder Tau-Protein). Zudem wissen wir sehr wenig über die Mechanismen die Gedächtnisverbesserungen ermöglichen können. An diesem Punkt wollen wir ansetzen. Dazu werden wir uns mit der Frage beschäftigen ob ‚Super Ager‘ überhaupt von einem weiterem Training profitieren, oder bereits an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit sind.
Gedächtnis, oder visuelle Wahrnehmung, oder beides?
Wenn wir Gedächtnis-Präzision trainieren, trainieren wir auch solche Regionen im Gehirn, die visuelle Information verarbeiten. Daher ist es wahrscheinlich, dass das Training auch die Funktion der visuellen Regionen verbessert. Eine wichtige Möglichkeit ist, dass jede beobachtete Verbesserung des Gedächtnisses lediglich auf der verbesserten Funktion der visuellen Regionen beruht. Um diese Möglichkeit zu untersuchen, ist Expertise im Bereich der visuellen Verarbeitung erforderlich. Unser Projekt bringt Forscher mit Expertise in visueller Verarbeitung und Erinnerungsbildung zusammen.
Unser Studiendesign
Unsere Forschung ist als Längsschnittstudie über einen längeren Zeitraum angelegt (‚longitudinal design‘). Wir werden unsere Teilnehmer für 3 Monate mit einem internetbasierten, spielähnlichen Trainingsprogramm trainieren. Vor und nach dem Training werden wir mittels räumlich und zeitlich hochauflösendem MRT verschiedene Messungen zur Funktion und Konnektivität des Gehirns durchführen. Im Training selber sollen die Teilnehmer lernen ähnlich aussehende Bilder von entweder ganzen Szenen oder einzelnen Objekten zu unterscheiden.
Forschungsziele – Fragen:
Dieses Projekt soll Informationen zur Kapazität und Plastizität von Gedächtnisfunktionen im Alter liefern:
- Was sind die Trainings- und Transfereffekte von Gedächtnis-Präzisionstraining (z.B. bessere Erinnerungsfähigkeit), und welche Einflüsse auf andere Gedächtnisfunktionen gibt es?
- Wie beeinflussen Alter und versteckte pathologische Veränderungen (z.B. Tau-Ablagerungen im Gehirn) diese Effekte?
- Was sind die strukturellen Grundlagen dieser Effekte im Gehirn, bei Personen mit oder ohne pathologische Veränderungen?
- Was sind die funktionellen Grundlagen dieser Effekte?
Ausblick
Das Verständnis der Gehirnplastizität und Transferkapazität neurokognitiver Schaltkreise wird neue Einsichten in die Funktionsweise neuronaler Ressourcen im Alter ermöglichen. Die Langzeitperspektive ist eine neurowissenschaftliche Theorie, die die Möglichkeiten und Grenzen kognitiven Trainings bei älteren Menschen mit und ohne versteckte Pathologie erklärt.