BDNF-abhängige Neuroplastizität als neuronale Ressource der kortiko-hippokampalen Interaktion

A06

Die flexible Steuerung von Verhalten und Verhaltensänderungen durch Lernprozesse erfordert die neuronale Interaktion verschiedener Hirnareale. Die Interaktionen zwischen sensorischen und präfrontalen Cortex-Arealen mit dem Hippocampus haben für diese Prozesse eine hervorgehobene Bedeutung. Wir untersuchen in unserem Projekt, wie durch Krankheit oder Altern bedingte Störungen in einem der interagierenden Hirnareale durch neuroplastische Prozesse in den anderen Hirnregionen kompensiert werden können. Hierzu untersuchen wir, wie sich die optogenetisch kontrollierte Freisetzung des plastizitätssteuernden neurotrophen Faktors BDNF in corticalen Arealen oder im Hippocampus auf die cortico-hippocampale Interaktion auswirkt, und wie dadurch gesteuerte Lernprozesse in Mausmodellen erleichtert werden können, die durch Alterungsprozesse oder die Alzheimersche Krankheit gestört wurden.

Gruppenleitung

SFB 1436 Mitglied Volkmar Leßmann

Prof. Dr. Dr. med. Volkmar Leßmann

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Prof. Dr. Frank Ohl

Prof. Dr. Dr. med. Volkmar Leßmann

Volkmar Leßmann ist Direktor des Instituts für Physiologie an der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Seine Forschung konzentriert sich auf molekulare und zelluläre Mechanismen der synaptischen Plastizität. Mit kombinierten elektrophysiologischen und fluoreszenzmikroskopischen Techniken untersucht seine Gruppe, wie neuromodulatorische Transmitter wie Dopamin und Neurotrophine wie BDNF die synaptische Übertragung in neuronalen Schaltkreisen des Hippocampus, der Amygdala und des präfrontalen Kortex der Maus regulieren, und wie sich dies auf das Lernen in vivo auswirkt. In Zusammenarbeit mit Psychiatern, Neurologen und Sportwissenschaftlern in Magdeburg und Jena untersucht sein Team weiter die Rolle von BDNF als Biomarker bei Patienten mit Depression und Demenz-Erkrankungen. Zusammen mit der Gruppe von Frank Ohl vom LIN befasst sich seine Forschung mit der optogenetisch kontrollierten BDNF-Regulation von cortiko-hippocampalen Schaltkreisen, die an der Alzheimer-Krankheit und dem Furchtlernen beteiligt sind.

Prof. Dr. Frank Ohl

Frank Ohl ist Direktor der Abteilung „Systemphysiologie des Lernens“ am Leibniz-Institut für Neurobiologie Magdeburg und bekleidet die Professur „Neurobiologie“ am Institut für Biologie das Naturwissenschaftlichen Fakultät der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg. Sein Hintergrund ist Neurophysiologie und Physik. Er hat Nager-Modelle für kognitive Prozesse (darunter Konzeptlernen, Kategorienbildung) entwickelt und untersucht neuronale Dynamiken während des Lernens mit elektrophysiologischen, optischen und optogenetischen Methoden. In Zusammenarbeit mit Mathematikern und Informatikern entwickelt er ebenfalls neurocomputationale Modelle der experimentell untersuchten neuronalen Prozesse und hilft bei der Weiterentwicklung von Verfahren des maschinellen Lernens durch neue neuro-inspirierte Algorithmen.

Gruppenmitglieder

SFB 1436 Mitglied Thomas Endres

Dr. Thomas Endres

SFB 1436 Mitglied Tamer Ayberk Kaya

Tamer Ayberk Kaya

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Jana Köhler

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Dr. Michael Lippert

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Dr. Susanne Meis

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Dr. Thomas Munsch

SFB 1436 Mitglied Amber Schembri

Amber Ruth Schembri

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Alisa Vlasenko

Tamer Ayberk Kaya

Derzeit bin ich als Doktorand im Labor von Prof. Dr. Frank W. Ohl am Leibniz-Institut für Neurobiologie tätig. Während meines Masterstudiums habe ich mich auf die Regulierung von Synapsen durch Astrozyten während des Alterns sowie in Alzheimer-Erkrankungen konzentriert. Mein Promotionsprojekt zielt darauf ab, die neurale Interaktionsdynamik zwischen präfrontalem Kortex und Hippocampus zu verstehen und herauszufinden, wie diese Koordinationsdynamik bei Alzheimer-Erkrankungen und im Alter beeinflusst wird. Hierfür werden unter anderem elektrophysiologische Aufzeichnungen in-vivo, Optogenetik, Kalzium-Bildgebung und Verhaltensanalyse einsetzen.

Amber Ruth Schembri

Amber Schembri machte ihren Abschluss in Biochemie und Neurowissenschaften und ist seit September 2021 als Doktorandin am Institut für Physiologie der Universitätsklinik Magdeburg tätig. Sie ist dabei auf die whole-cell Patchclamp Technik spezialisiert und untersucht, wie neurale Ressourcen die Neuroplastizität im Gehirn durch Gedächtnis- und Lernaufgaben verändern und, ob Alter und Krankheiten dies beeinflussen können.

Was ist die Rolle neuronaler Interaktionen bei Verhalten, Lernen und kompensatorischer Plastizität?

Gehirne höherer Wirbeltiere einschließlich des Menschen besitzen eine komplexe Architektur, innerhalb derer lokale neuronale Netzwerke (z.B. des Hippocampus oder corticaler Areale) über langreichweitige neuronale Projektionen miteinander verbunden sind. Bisherige Konzeptualisierungen der Funktionsprinzipien dieser Strukturen beruhen auf der Idee einer „Arbeitsteilung“ zwischen diesen Netzwerken im Sinne der Übernahme bestimmter Funktionen durch jeweils nur eine der interagierenden Hirnregionen. In diesem Projekt verfolgen wir die Idee von wechselseitiger funktioneller Kompensation, also des „Einspringens“ eines der funktionell interagierenden Netzwerke bei Ausfall oder Schwächung des anderen Netzwerkes. Die neuronale Implementierung solcher Kompensationsprozesse reorganisiert dabei das Interaktionsgeschehen im globalen Netzwerk und wird (vermutlich) durch (lokal induzierte) synaptische Plastizitätsmechanismen gesteuert.

Was ist der neutrotrophe Faktor BDNF?

Das neurotrophe Protein BDNF wird aktivitätsabhängig an Synapsen glutamaterger Neurone ausgeschüttet. Es ist eines der Schlüsselmoleküle für die gebrauchsabhängige Nivellierung der Stärke der synaptischen Übertragung an GABAergen und glutamatergen Synapsen, indem es sowohl synaptische Potenzierung (LTP) als auch synaptische Depression (LTD) über gegenläufige Signalkaskaden steuert.  Während die lokale synaptische Regulation durch BDNF zunehmend besser verstanden wird, sind die Mechanismen einer daraus resultierenden Steuerung der Netzwerk-Interaktion zwischen interagierenden Hirnregionen bisher völlig unklar.

Die Ziele unseres Projektes

In diesem Projekt untersuchen wir, ob die neuronale Interaktionsdynamik zwischen corticalen Arealen und dem Hippocampus eine wechselseitige Kompensation von verminderter oder Fehlfunktion in einer Hirnregion durch die andere erlaubt, und ob dieser Kompensationsmechanismus durch optogenetische Kontrolle lokaler BDNF-Ausschüttung unterstützt oder angetrieben werden kann. In allen Projekteilen charakterisieren wir dabei lokale Mechanismen der synaptischen Plastizität durch elektrophysiologische patch-clamp-Ableitungen in vitro und transregionale neuronale Interaktionsdynamiken durch Multikanal-Ableitungen in vivo. Im ersten Arbeitspaket charakterisieren wir, wie sich die synaptische Plastizität lokaler Netzwerke und die neuronale Interaktion zwischen corticalen Arealen und Hippocampus bei verschiedenen Lernvorgängen, nämlich einem sensorisch gesteuerten räumlichen Lernen und bei sogenanntem Angst-Extinktionslernen, ändern. In einem zweiten Arbeitspaket untersuchen wir dann, wie synaptische Plastizität und neuronale Interaktionsmuster im Alter und im Rahmen der Alzheimer’schen Erkrankung parallel zu verschlechterten Lern- und Gedächtnis-Leistungen führen, und ob eine optogenetisch kontrollierte Erhöhung der BDNF-Ausschüttung im Hippocampus, die neuronale Interaktion mit den corticalen Arealen sowie die kognitive Leistung wiederherstellen kann. In einem dritten Arbeitspaket untersuchen wir die analoge Fragestellung, diesmal aber durch optogenetische Kontrolle der BDNF-Ausschüttung in corticalen Arealen und im Hinblick auf die neuronale Interaktion dieser Hirnareale mit dem Hippocampus.

Ein Blick in die Zukunft

Dieses Projekt hat zum Ziel, die optogenetisch kontrollierte lokale Freisetzung von BDNF als eine Strategie zur Rekrutierung kompensatorischer Plastizität der cortico-hippocampalen Interaktion, die im Alter und bei der Alzheimer’schen Krankheit gestört ist, zu etablieren. Sollte dies gelingen, bietet es sich an, dieselbe Interventions-Strategie auch bei anderen Krankheitsbildern, für die eine Störung der cortico-hippocampalen Interaktion typisch ist (wie etwa bei Depression), anzuwenden. Schließlich könnte dieser Ansatz dann auch in Fällen erprobt werden, wo neuronale Interaktionen zwischen anderen Hirnarealen, etwa Cortex und Basalganglien beim Morbus Parkinson, gestört sind.

Publikationen des Projektes A06