B06
Die effektive Nutzung von Informationen aus der sensorisch komplexen Umgebung wird oft durch zeitliche Repräsentationen vergangener Erfahrungen gesteuert. Vorhandenes Wissen über den zeitlichen Ablauf von Ereignissen ist für alle Säugetiere entscheidend, um effizient Ziele zu erreichen. Dieses Projekt untersucht das verborgene Potenzial, das der multisensorischen Verarbeitung von zeitlichen Erwartungen zugrunde liegt.
Gruppenleitung
Gruppenmitglieder
Was sind zeitliche Erwartungen?
Informationen aus der Vergangenheit über das Timing von Ereignissen sind entscheidend für die Verbesserung des Ergebnisses aus einer aktuellen Situation. Stellen Sie sich einen Sprinter vor, der sich auf das Startsignal „Auf die Plätze, Fertig, Los“ vorbereitet – effiziente zeitliche Erwartungen können zum Sieg führen und Fehler in der Erwartung zur Disqualifikation. Die Bildung von sensorisch gesteuerten zeitlichen Erwartungen erfordert Lernmechanismen im Gehirn, die das Timing des eingehenden sensorischen Inputs sowie die zugrunde liegenden neuronalen Ressourcen zur Bildung von Erwartungen über zukünftige Ereignisse festlegen. Diese dynamische Verarbeitung erfordert eine Koordination zwischen primären sensorischen Systemen, assoziativen sensorischen Bereichen (wie dem posterioren parietalen Kortex) und exekutiven Zentren im präfrontalen Kortex. Es bleiben jedoch noch viele Fragen offen, was die zugrundeliegenden neuronalen Ressourcen betrifft, die die Bildung von zeitlichen Erwartungen im Gehirn unterstützen, und wie die Informationsverarbeitung von mehreren sensorischen Systemen diese Dynamik verändern kann.
Multisensorische Repräsentationen der Umwelt
Ereignisse in der realen Welt stimulieren oft mehrere Sinne – unter normalen Bedingungen sehen wir zum Beispiel selten etwas ohne auch etwas zu hören. Da wir in unserer natürlichen Umgebung ständig mit zufälligen und verrauschten Sinnesreizen konfrontiert werden, durch die wir verhaltensrelevante Informationen isolieren müssen, kann die Nutzung von Informationen aus mehreren Sinnen unsere Wahrnehmung verbessern und es uns ermöglichen, effizientere zeitliche Erwartungen zu bilden, um die Ergebnisse unseres Verhaltens zu verbessern. Das Wissen über zeitliche Regelmäßigkeiten lässt sich jedoch nicht immer leicht über die verschiedenen Sinne hinweg übertragen und die Art und Weise, wie wir multisensorische Informationen nutzen, kann sich über die Lebensspanne hinweg unterscheiden, wobei ältere Menschen oft stärker von multisensorischen Stimulusrepräsentationen profitieren. Daher verwenden wir in diesem Projekt Kombinationen aus einem oder mehreren Sinnesreizen, um die Mobilisierung neuronaler Ressourcen während der zeitlichen Verarbeitung zu untersuchen.
Neuronale Schaltkreise: von Mäusen zu Menschen
Es ist bekannt, dass der posteriore parietale Kortex eine Rolle bei der Integration von multisensorischen Signalen und der zeitlichen Aufmerksamkeit spielt. Er ist ideal positioniert, um Informationen sowohl aus den primären sensorischen Kortizes als auch aus den Zentren der exekutiven Kontrolle im präfrontalen Kortex zu integrieren. Von Menschen bis zu Nagetieren liefern gegenseitige Verbindungen zwischen primären sensorischen Kortizes spezifische sensorische Inputs für den posterioren parietalen Kortex, verarbeiten aber auch aufgabenabhängige Informationen. Verbindungen mit dem präfrontalen Kortex spielen möglicherweise eine wichtige Rolle bei der assoziativen Gedächtnisbildung und der Verarbeitung von Feedback. Jüngste Arbeiten über die Wirkung der Erwartung, die auf zeitlich vorhersehbaren Sequenzen beruht, haben gezeigt, dass Menschen und Tiere in der Lage sind, Regelmäßigkeiten festzustellen. Während wir mit Hilfe von bildgebenden Techniken aufgabenspezifische Veränderungen der fMRT-Signale beim Menschen untersuchen können, bieten Mäuse den zusätzlichen Vorteil, dass wir die Aktivität innerhalb neuronaler Schaltkreise bis auf die Ebene einzelner Zellen direkt beobachten und manipulieren können. Daher zielt unser Projekt auf der Mikro- und Mesoebene auf lokale neurologische Schaltkreise im posterioren parietalen Kortex von Mäusen sowie auf der Makroebene auf intrakortikale Schaltkreise ab, die auch den präfrontalen Kortex und sensorische Bereiche bei Menschen und Tieren einbeziehen.
Ziele des Projekts
Das Hauptziel dieses Projekts ist es, die Mobilisierung neuronaler Ressourcen zu verstehen, die das Nutzen der zeitlichen Struktur multisensorischer Informationen während des Lernens, und im zunehmendem Alter, steuern. Insbesondere konzentrieren wir uns auf die frontoparietalen und primär sensorisch-parietalen Schaltkreise als dynamische neuronale Ressourcen und untersuchen, wie Vorhersagen über das sequenzielle Timing eingehender sensorischer Reize für eine verbesserte Effizienz und Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung genutzt werden kann, was letztendlich zu einem zielgerichteten und erfolgreichen Verhalten führt. Zu diesem Zweck werden wir Variationen eines audiovisuellen Paradigmas mit bekannter/unbekannter zeitlicher Erwartung über Zielereignisse verwenden. Die Auswertung der interindividuellen Variabilität wird genutzt um die Unterschiede in neuronalen Schaltkreisen bei verschiedenen Lernstrategien und die zugrunde liegende Gedächtnisleistung bei jungen und älteren Menschen zu bewerten.
Langfristige Perspektive und Auswirkungen
Letztendlich wollen wir die zugrundeliegenden neuronalen Ressourcen verstehen, die es uns ermöglichen, uns kontinuierlich an eingehende sensorische Informationen anzupassen. In Zukunft werden wir die analysierten Daten für die Weiterentwicklung von MRT-Techniken sowohl in Experimenten an Menschen als auch an Tieren nutzen. Wir werden die lokale Dynamik in den verschiedenen kortikalen Schichten in Bezug auf die Mobilisierung neuronaler Ressourcen während multisensorischer Lernparadigmen im posterioren parietalen Kortex und anderen aufgabenbezogenen Hirnregionen weiter untersuchen. Letztlich werden diese Erkenntnisse weitere Experimente vorantreiben, um aufgabenabhängige neuronale Schaltkreise während des Verhaltens gezielt zu manipulieren und neurobiologisch plausible Berechnungsmodelle zu entwickeln.