Z02
In diesem Projekt werden neuartige Technologien und Analysemethoden für die Ultrahochfeld Magnetresonanztomographie entwickelt, um Forschungsfragen zu neuronalen Ressourcen in bisher buchstäblich unentdeckten Dimension zu beantworten. Das übergeordnete Ziel des Projekts ist die Entwicklung von Werkzeugen und Methoden, die die Modellierung des menschlichen Kortex in drei Dimensionen ermöglichen, das heißt senkrecht zur kortikalen Oberfläche (Dimension 1 und 2) und in der kortikalen Tiefe (Dimension 3), um Forschungsfragen zu neuronalen Ressourcen buchstäblich in bisher unentdeckter Dimension zu beantworten.
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Gruppenmitglieder
Nicht-invasive Bildgebung ermöglicht revolutionäre Einblicke
Die Bildgebungsmethode Magnetresonanztomographie (MRT) hat die Neurowissenschaften in den letzten 20 Jahren revolutioniert, da sie Informationen über die Anatomie des Gehirns, dessen Funktion und Konnektivität ohne invasive Eingriffe liefern kann. Durch die Verwendung von höheren Magnetfeldstärken wie dem 7 Tesla MRT, kann eine feinere Bildauflösung erzielt werden, die eine größere Empfindlichkeit für die Erkennung kleiner Unterschiede in der Aktivierung oder Struktur im Submillimeter-Bereich ermöglicht. Diese Entwicklungen erlauben die detaillierte Erkennung und Quantifizierung anatomischer Substrukturen innerhalb des Kortex (Lüsebrink et al. 2013, 2017, 2021) und auch des für das Gedächtnis wichtigen Hippocampus (Berron et al. 2017) sowie in für das Fühlen wichtigen Arealen des sensorischen Kortex (Kuehn et al. 2017). Zudem ist nun die Beschreibung kleiner funktioneller Einheiten des lebenden Gehirns möglich, wie zum Beispiel von detaillierten retinotopischen Karten (Hoffmann et al. 2009), somatotopischen Karten (Kuehn et al. 2018), sowie auch die Unterscheidung zwischen sogenannter ‘Feedforward’ und ‘Feedback’-Verarbeitung (Kok et al. 2016, Muckli et al. 2015), welche durch die Erkennung von Aktivierungsprofilen innerhalb kortikaler Spalten möglich wird (Chaimow et al. 2018). All diese Techniken erlauben uns heute detaillierte Einblicke in kognitive Verarbeitungsstrukturen wie sie vorher mit Standardanalyseverfahren nicht möglich waren.
Was ist der Kortex des Gehirns?
Die äußere Schicht des Gehirns bildet der zerebrale Kortex. Er setzt sich aus etwa 100 Milliarden Nervenzellen zusammen und wird als graue Substanz bezeichnet. Aufgrund der typischen Faltung nimmt er etwa die Hälfte des Gehirnvolumens ein. Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde der Kortex entsprechend seiner Zellarchitektur in sechs Schichten und aufgrund Unterschiede in dieser Architektur wiederum in verschiedene funktionelle Regionen eingeteilt. In verschiedenen Studien konnte eine Korrelation unter anderem zwischen neurologischen Erkrankungen wie Alzheimer und der Abnahme der Dicke des Kortex in bestimmten funktionellen Regionen nachgewiesen werden, die unmittelbar mit Symptomen der Krankheit, wie Gedächtnisproblemen, in Verbindung gebracht werden können. Dadurch ergibt sich ein direkter Zusammenhang zwischen der räumlichen Ausprägung einer funktionellen Region und der Qualität ihrer Funktion.
Aufgaben im Sonderforschungsbereich
Das Projekt Z02 nimmt als Zentralprojekt eine wichtige Rolle im Sonderforschungsbereich ein, da wir die anderen Projekte bei Herausforderungen der Bildakquisition und -auswertung mittels 7 Tesla Magnetresonanztomographie (7 T-MRT) unterstützen und eigenständige Methodenentwicklung vorantreiben. Die aktuelle Forschung zu neuronalen Ressourcen beim Menschen profitiert besonders von neuartiger Technologie und/oder Methodik, die zur Beschreibung neuronaler Veränderungen auf der Mesoskala (d.h. weniger als 1 mm) erforderlich sind. Dies ermöglicht den Wissenstransfer von Erkenntnissen aus der Tierforschung (beschrieben auf der Mikroebene) zu Gehirnmodellen und Interventionen beim Menschen. Dafür etablieren wir modernste MR-Sequenzen, die eine reproduzierbare und optimierte Datenqualität bieten, und Rechenwerkzeuge sowie Analysepipelines für die multimodale und multiskalierte Datenmodellierung innerhalb und zwischen Individuen. Diese neuen Methoden erweitern insbesondere die bisherige Betrachtungsweise des menschlichen Kortex als gefaltete Oberfläche um die Betrachtung der Tiefe innerhalb des Kortex, wodurch seine unterschiedlichen Schichten bei der Datenanalyse berücksichtigt werden. Dadurch können Forschungsfragen zu neuronalen Ressourcen buchstäblich in bisher unentdeckter Dimension beantwortet werden.
Artefakte durch hohe Feldstärken
Eine Herausforderung für eine erfolgreiche Bildgebung auf der Mesoskala des lebenden menschlichen Gehirns ist die hohe Empfindlichkeit dieser Methoden gegenüber bildverschlechternden Effekten. Tatsächlich nehmen Anzahl und Ausmaß der Bildartefakte bei einer Feldstärke von 7 T im Vergleich zu 1,5 T- und 3 T-MRT-Daten drastisch zu (Ladd et al. 2018).
Viele dieser Artefakte werden durch die Bewegung der Testperson verursacht und schränken die tatsächlich erreichbare effektive Bildauflösung und Bildqualität ein. Bei der funktionellen MRT (fMRT) werden Gehirnareale gezielt durch sogenannte Stimuli aktiviert. Diese Stimuli können zum Beispiele Töne oder Bilder sein. Wenn die Bewegung der Testperson mit der Präsentation des Stimulus korreliert, kann durch die Bewegung die Messung der Hirnaktivierungen verfälscht werden. Darüber hinaus ist die Versuchsperson selbst eine Störquelle, die zu Verzerrungen des starken Magnetfeldes führt. Obwohl diese Verzerrungen an sich Informationen enthalten (zum Beispiel zu nutzen bei der quantitativen Suszeptibilitätskartierung, QSM), verursachen sie geometrische Verzerrungen im Bild, die die Analyse oder die räumliche Überlagerung zwischen verschiedenen Datensätzen beeinträchtigen können. All diese Effekte machen die Signalverarbeitung und Artefaktkorrektur zu einem bedeutenden und unverzichtbaren Forschungsbereich in der Ultrahochfeld-Bildgebung des Gehirns, insbesondere wenn eine Auflösung im Submillimeterbereich angestrebt wird. Es ist daher ein zentraler Aspekt von Z02, neue Methoden zur Artefakt- und Bewegungskorrektur zu entwickeln und den Forschenden des Sonderforschungsbereiches zur Verfügung zu stellen.
Herausforderungen bei der Datenanalyse
Eine weitere Herausforderung für die erfolgreiche mesoskalierte Bildgebung des lebenden menschlichen Gehirns ist die Verfügbarkeit von Rechenwerkzeugen und Algorithmen zur Modellierung feinkörniger Hirnstrukturen und Hirnfunktionen, wie zum Beispiel kortikaler Schichten, in verschiedenen MRT-Kontrasten und deren Interaktion (Kemper et al. 2018, Edwards et al. 2018). Dies ist nicht trivial, da die kortikalen Schichten winzig und in in vivo MRT-Daten aufgrund des fehlenden Kontrastes nicht direkt sichtbar sind. Darüber hinaus werden verschiedene MRT-Kontraste oft mit unterschiedlichen Bildauflösungen und Blickwinkeln erfasst und in unterschiedlichen Softwarepaketen analysiert, die oftmals sogar verschiedene Computersysteme vorraussetzen. Wechselwirkungen und Struktur-Funktions-Beziehungen auf der Mesoskala lassen sich daher nicht ohne weiteres feststellen. Z02 wird sich auf die Optimierung und Weiterentwicklung von automatisierten Analysepipelines konzentrieren, die es den Forschern des Sonderforschungsbereichs ermöglichen wird, reproduzierbare, beobachterunabhängige und verallgemeinerbare Forschungsergebnisse zu produzieren. Wir haben in vorherigen Projekten verschiedene Pipelines und Toolkits verwendet, um mesoskalierte Segmentierungen an ultrahochauflösenden MR-Daten zu erstellen und diese mit funktionellen Daten zu kombinieren. Darüber hinaus haben wir neuartige strukturelle MRT-Sequenzen, wie zum Beispiel quantitative T1-Karten im Submillimeterbereich, verwendet, um die Beziehung zwischen schichtspezifischer Kortexstruktur und der großräumigen Organisation funktioneller Netzwerke zu untersuchen (Kuehn et al. 2017). Diese Methoden werden wir im Rahmen des Z02-Projektes optimieren, ergänzen sowie validieren und für die Forschenden des Sonderforschungsbereiches zugängig machen.
Abgleich von Daten zwischen Individuen
Eine weitere große Herausforderung für eine erfolgreiche Interpretation von Daten im Meso-Maßstab ist die Notwendigkeit, funktionelle und strukturelle Bilder über verschiedene Personen hinweg zu überlagern. Gruppenstatistiken sind wichtig, um die Verallgemeinerbarkeit der Effekte über Individuen hinweg zu untersuchen und auf statistisch signifikante Gruppeneffekte zu testen, wie zum Beispiel um ältere Erwachsene mit sogenannten ‘SuperAgern’ (Menschen, deren Gehirn nicht zu altern scheint) zu vergleichen – ein zentrales Ziel des Sonderforschungsbereiches. Bisher gibt es nur sehr wenige computergestützte Werkzeuge oder Methoden, die für den interindividuellen Abgleich von mesoskaligen Hirnbildgebungsdaten optimiert sind. In Fällen, in denen funktionelle Bereiche nicht mit anatomischen Orientierungspunkten übereinstimmen, kommt es zu Abweichungen. Jede kleine Abweichung von Aktivierungskarten oder anatomischen Strukturen (z. B. Kuehn et al. 2017) kann das Ergebnis schichtspezifischer Analysen massiv beeinflussen, daher ist eine möglichst exakte Übereinstimmung auf der Mesoskala erforderlich. Darüber hinaus ist insbesondere im klinischen Kontext die Menge der Bildgebungsdaten, die von einem Individuum gewonnen werden können, aus Gründen der verfahrenstechnischen Herausforderungen, der Kosten und der begrenzten Compliance begrenzt. Es ist daher das Ziel von Z02, adäquate interindividuelle Abgleiche zu ermöglichen durch eine valide Datenaggregation über Individuen hinweg, und diese Methoden den anderen Forschenden des Sonderforschungsbereiches zur Verfügung zu stellen.