Intervention in Netzwerken für kognitive Ressourcenallokation in Primaten

C05

Grafische Darstellung des Projektes C05

Komplexe kognitive Funktionen wie die Entscheidungsfindung hängen von der koordinierten Aktivität mehrerer Gehirnregionen ab. Während die Rolle lokaler Schaltkreise im Gehirn intensiv erforscht wurde, wurde der Einfluss der weitreichenderen funktionellen Verbindungen auf diese lokale Aktivität bisher weniger erforscht. Wir untersuchen, wie Veränderungen in den funktionellen Interaktionen zwischen lokalen und entfernteren Schaltkreisen neuronale Aktivierungen erzeugen und das Verhalten beeinflussen. In Kombination mit empirischen und computergestützten Ansätzen verändern wir die funktionelle Konnektivität zwischen Gehirnregionen, um die Auswirkungen auf die kognitive Ressourcenzuteilung für Entscheidungsprozesse bei Primaten zu verstehen.

Gruppenleitung

SFB 1436 Mitglied Kristine Krug

Prof. Dr. Kristine Krug

SFB 1436 Mitglied Petra Ritter

Prof. Dr. med. Petra Ritter

Prof. Dr. Kristine Krug

Kristine Krug kam 2019 als Heisenberg-Professorin [DFG] und Lehrstuhlinhaberin für sensorische Physiologie an die Otto-von-Guericke Universität Magdeburg. In ihrem Forschungsprogramm untersucht sie die neuronalen Schaltkreise und Mechanismen der Wahrnehmungsentscheidung. Ihr langfristiges wissenschaftliches Ziel ist es, die neuronalen Signale zu verstehen und zu kontrollieren, die die Wahrnehmung und Entscheidungsfindung von der Ebene der einzelnen Gehirnzellen bis hin zu mentalen Zuständen formen. Derzeit ist sie Mitglied des Editorial Board von eLife, Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats des Deutschen Primatenzentrums (DPZ) und Gastprofessorin an der University of Oxford.

Prof. Dr. med. Petra Ritter

Petra Ritter ist ordentliche Professorin und Leiterin der Sektion Gehirnsimulation am Berliner Institut für Gesundheit der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Ihr Forschungsschwerpunkt ist die Integration von Neuroimaging und Computational Neuroscience für eHealth-Anwendungen. Sie leitet mehrere große Konsortien und Projekte wie das Charité & BIH Virtual Research Environment, die National Research Data Infrastructure Initiative in Neuroscience und das europäische Open Science Cloud Projekt VirtualBrainCloud. Darüber hinaus war sie Leiterin des Co-Design-Projekts The Virtual Brain im EU-Flaggschiff-Projekt Human Brain.

Gehirnnetzwerke für wahrnehmungsbasierte Entscheidungsfindung

Wahrnehmungsbasierte Entscheidungsfindung ist der Prozess, bei dem sensorische Informationen integriert und bewertet werden, um eine Verhaltensentscheidung zu treffen. Die lokale Aktivität von Neuronen im extrastriaten visuellen, parietalen und präfrontalen Kortex von Primaten trägt direkt zu Wahrnehmungsentscheidungen bei (Gold, Shadlen 2007; Krug et al. 2013). Kognitive Prozesse wie Aufmerksamkeit, Arbeitsgedächtnis oder Belohnung können die Entscheidungsleistung ebenfalls beeinflussen; sie werden durch Alterung oder psychische Störungen beeinträchtigt (Takagaki, Krug 2020). Als neuronaler Mechanismus wird eine veränderte Modulation der lokalen Aktivität in visuellen Schaltkreisen durch den präfrontalen und posterioren parietalen Kortex vermutet. Um diese Hypothese zu testen, untersuchen wir die Interaktionen zwischen dem visuellen Kortex und entfernten Regionen und ihre Auswirkungen auf die lokale Ressourcenallokation bei der wahrnehmungsbezogenen Entscheidungsfindung.

Funktionelle Konnektivität

Eine koordinierte Aktivität in neuronalen Netzwerken ist für eine optimale kognitive Verarbeitung von Informationen unerlässlich. Die Entscheidungsfindung ist ein Beispiel für eine kognitive Funktion, die von lokalen Schaltkreisen abhängt, die über ein weites Netzwerk verteilt sind (Krug 2020). Die Dynamik neuronaler Netzwerke spiegelt sich in der funktionellen Konnektivität wider, welche die Korrelation der neuronalen Aktivität zwischen verschiedenen Hirnregionen im Zeitverlauf darstellt. Um zu verstehen, wie die Dynamik des Entscheidungsfindungsnetzwerks die Effizienz dieser Funktion beeinflusst, werden wir die funktionelle Konnektivität zwischen lokalen neuronalen Schaltkreisen, einschließlich des visuellen, parietalen und präfrontalen Kortex, bei Makaken verändern.

Transkranielle fokussierte Ultraschallstimulation

Wir verwenden transkranielle fokussierte Ultraschallstimulation (FUS) zur kausalen Modulation der Netzwerkaktivität. FUS ist eine neue, nicht-invasive Neurostimulationstechnik, mit der tiefe Gehirnstrukturen mit hoher räumlicher Auflösung erreicht werden können. Je nach Stimulationsprotokoll kann FUS dazu verwendet werden, die funktionelle Konnektivität spezifisch für das stimulierte Hirnareal hoch und runter zu regulieren, wobei die Wirkung mindestens zwei Stunden andauert (Verhagen et al. 2019). Wir kombinieren FUS mit struktureller und funktioneller Magnetresonanztomographie (7T MRI) sowie mit neurophysiologischen und verhaltensbezogenen Messungen.

Umfassende Modellierung von Hirnnetzwerken

Die Verwendung von Neuroimaging in Verbindung mit FUS ermöglicht es uns, die funktionelle Konnektivität zwischen Gehirnregionen zu verändern und zu messen. Dies allein reicht jedoch nicht aus, um die Komplexität der Netzwerke zu erfassen. Faktoren wie die funktionelle und strukturelle Spezifität von Hirnschaltkreisen führen zu vielfältigen Modellrechnungsmöglichkeiten. Jüngste Studien nutzen mathematische Werkzeuge wie das virtuelle Gehirn (VBT), um biologisch plausible Rechenmodelle der Dynamik von Gehirnnetzwerken bei Menschen (Ritter et al. 2013) und Makaken (Shen et al. 2019) zu erstellen. Die Modelle liefern ein mechanistisches Verständnis davon, wie verschiedene Hirnregionen interagieren, um neuronale Informationen zu verarbeiten. Unter Verwendung unserer eigenen Konnektivitätsdaten erstellen wir VBT-Modelle, indem wir die beobachteten Daten reproduzieren, unsere Hypothesen testen und neue Vorhersagen erstellen. Die Vorhersagen werden wiederum anhand von neurophysiologischen und verhaltensbiologischen Daten getestet und ermöglichen so ein quantitatives Verständnis der Dynamik von Entscheidungsnetzwerken und der Folgen von deren Störung.

Gold JI, Shadlen MN. 2007. The neural basis of decision making. Annu Rev Neurosci 30:535-74.

Krug K, Cicmil N, Parker AJ, Cumming BG. 2013. Causal interference with neuronal signals in V5/MT influences perceptual judgments about a stereo-motion task. Current Biology 23:1454-9.

K Krug (2020) Coding perceptual decisions: from single units to emergent signaling properties in cortical circuits. Annual Review of Vision Science 6:387-409.

Ritter P, Schirner M, McIntosh AR, Jirsa VK. 2013. The virtual brain integrates computational modeling and multimodal neuroimaging. Brain Connect 3:121-45. 

Shen K, Bezgin G, Schirner M, Ritter P, Everling S, McIntosh AR. 2019. A macaque connectome for large-scale network simulations in TheVirtualBrain. Scientific Data 6:123.

Takagaki K, Krug K. 2020. The effects of reward and social context on visual processing for perceptual decision-making. Current Opinion in Physiology 16, 109-117.

Verhagen L, Gallea C, Folloni D, Constans C, Jensen D, Ahnine H, Roumazeilles L, Santin M, Ahmed B, Lehericy S, Klein-Flügge M, Krug K, Mars RB, Rushworth MF, Pouget P, Aubry JF, Sallet J. 2019. Offline impact of transcranial focused ultrasound on cortical activation in primates. eLIFE 8:e40541.

Ziele und Perspektiven

Ein biologisch plausibles, quantitatives Modell der kognitiven Gehirnmechanismen bei nicht-menschlichen Primaten ist für das Verständnis der grundlegenden neuronalen Mechanismen unserer eigenen kognitiven Funktionen unerlässlich. Die Homologie zwischen Makaken und Menschen ermöglicht eine direkte Übertragung der neuronalen Architektur und der M quantitativen Modelle. Die Kombination von Ansätzen wie hochauflösender Neurobildgebung, Hirnstimulation, Neurophysiologie und Verhalten wird ein detailliertes, vielschichtiges Bild der neuronalen Mechanismen, welche die Entscheidungsfindung beeinflussen, aufzeigen. Insbesondere sollen integrative Modelle der Hirnfunktion ein umfassendes Verständnis der strukturellen und funktionellen Organisation lokaler und weitreichender Hirnnetzwerke und ihrer Interaktionen ermöglichen. Psychische Störungen wie Autismus oder Schizophrenie werden mit einer veränderten funktionellen Konnektivität bestimmter neuronaler Netzwerke in Verbindung gebracht. Daher stellt die neurophysiologische Validierung des FUS-Stimulationsprotokolls eine vielversprechende Perspektive für die Entwicklung nicht-invasiver therapeutischer Eingriffe und Behandlungen beim Menschen dar, um die kognitiven Leistungen des Menschen zu verbessern und wiederherzustellen.

Publikationen des Projektes C05