C02
Aufmerksamkeit ist eine begrenzte neuronale Ressource, welche es uns ermöglicht, verhaltensrelevante Informationen auszuwählen. Wir können uns auf selektierte Information fokussieren (Exploitation) oder durch einen breiten Aufmerksamkeitsfilter nach neuen, relevanten Informationen suchen (Exploration). In diesem Projekt untersuchen wir die Rolle des anterioren präfrontalen Kortex in diesem komplexen kognitiven Prozess.
Gruppenleitung
Gruppenmitglieder
Was ist der anteriore präfrontale Kortex (aPFC)?
Die Allokation von Aufmerksamkeit ermöglicht es uns, für anstehende Aufgaben auf die wichtigen Informationen zu fokussieren. In einer sich ständig verändernden Umwelt ist es allerdings notwendig, die Ressourcen unserer Aufmerksamkeit gegebenenfalls adaptiv umzuverteilen. Der anteriore präfrontale Kortex (aPFC) gilt als entscheidender Teil eines neurokognitiven Schaltkreises für die neuronale Realisierung der explorativen Ressourcenallokation bei menschlichen und nicht-menschlichen Primaten. Die explorative Ressourcenzuweisung ist auch eine essentielle Voraussetzung für erfolgreiche Lernprozesse. Studien legen nahe, dass die Fähigkeit der explorativen Aufmerksamkeit im Alter abnimmt. Hierdurch erklärt sich möglicherweise ein altersbedingt zunehmender Verlust von Flexibilität im Verhalten.
Explorative Aufmerksamkeit bei verschiedenen Spezies
Beim Menschen wissen wir aus bildgebenden Studien, dass der aPFC bei explorativen Entscheidungen beim Glücksspiel aktiviert wird (Daw et al., 2006) und ein neuronales Korrelat des relativen Vorteils beim Wechsel zu einer Handlungsalternative darstellt (Boorman et al., 2009). Explorationsverhalten lässt sich zudem durch transkranielle Interventionstechniken im Bereich des PFC beeinflussen.
Um diesem Phänomen auf makroskopischer Ebene, sowie auch auf mesoskopischer Ebene von Nervenzellschaltkreisen näher zu kommen, haben wir ein Versuchsparadigma entworfen, welches uns die Untersuchung von Exploitations-/Explorations-Wechseln im Menschen und bei Mongolischen Wüstenrennmäusen erlaubt.
Zwar besitzen Nagetiere einen weniger differenzierten frontalen Kortex. Doch auch sie zeigen explorative Ressourcenallokationen. Läsionen im Frontalkortex-Bereich sind auch bei Nagern mit verschiedenen Verhaltens-Auffälligkeiten verbunden (Olton et al., 1988). Um Rückschlüsse über die neuronale Verarbeitung der Ressourcenallokation bei Mensch und Tier zu gewinnen, untersuchen wir das Futtersuchverhalten bei zur Neige gehenden Futterquellen. Wie lange sucht ein Individuum an einer Futterstelle (Exploitation) und wann entscheidet es sich, dass diese soweit erschöpft ist, dass sich ein Wechsel zu einer neuen Stelle lohnt (Exploration). Wir haben ein komplementäres Versuchsdesign für die humane Bildgebung, sowie die Ableitung neuronaler Signale vom aPFC bei sich frei bewegenden Wüstenrennmäusen entwickelt.
Untersuchung der Hirnmechanismen der Aufmerksamkeitsverteilung
Bei menschlichen Probanden wird während der Suche von per Augenbewegung „abzugrasenden“ Objekten auf einem Bildschirm die Hirnaktivität im Kernspintomographen untersucht. Parallel werden in vivo Mehrkanalableitungen der Nervenzellaktivität über alle kortikalen Schichten des frontalen PFC in der Wüstenrennmaus während einer probabilistischen Futtersuche vollzogen (Lottem et al., 2018). So erhoffen wir uns Rückschlüsse über die makroskopischen Netzwerke unter Beteiligung verschiedener frontaler und parietaler Hirnareale, sowie über die lokale Nervenschaltkreisphysiologie des aPFC während der Aufmerksamkeitsallokation.
Das Projekt C02 profitiert weiterhin von der im Rahmen des SFB-Konsortium etablierten Kohorte älterer Probanden, sowie der wissenschaftlichen Plattform zur hochauflösenden Human-Bildgebung. Durch den Vergleich von Kohorten junger und älterer Probandinnen und Probanden bzw. Versuchstiere wollen wir ebenfalls Rückschlüsse auf die Physiologie der altersbedingten Einschränkungen erlangen. Durch Interventionstechniken, wie aktive, körperliche Bewegung, lassen sich diese womöglich positiv beeinflussen.
Ein Blick in die Zukunft
Durch die parallele Arbeit mit Mensch und Tier wollen wir die grundlegenden neuronalen Schaltkreise analysieren, welche der Steuerung der Aufmerksamkeit zu Grunde liegen. Die flexiblen Wechsel zwischen Exploitation und Exploration sind essentielle Fähigkeiten für flexible Lern- und Anpassungsprozesse. Um besser zu verstehen, durch welche Neurotransmittersysteme diese Prozesse mit gesteuert werden, sind weiterführend tierexperimentelle Ansätze geplant. Mittels optogenetischer Verfahren soll durch Stimulation oder Inhibition der dopaminergen Transmission die Rolle des Dopaminsystems auf die Selektion von Schlüsselreizen bei der Nahrungssuche untersucht werden. Wie sich diese Ergebnisse auf den Menschen übertragen lassen und welche Interventionstechniken sich hierdurch vor allem für ältere Menschen ableiten lassen, ist Gegenstand der weiteren Forschung.