B01
Das Wiedererkennen von Objekten, Umgebungen und Personen im Alltag erlaubt es uns sich in einer komplexen Welt zur orientieren. Diese Fähigkeit variiert zwischen Individuen und verändert sich in verschiedenen Lebensabschnitten. Wir versuchen zu verstehen, wie diese Unterschiede auf das Verschalten von Neuronen innerhalb eines Gehirnareals beziehungsweise zwischen verschiedenen Bereichen des Gehirns zurückzuführen sind.
Gruppenleitung
Gruppenmitglieder
Medialer Bereich des Temporallappens
und des Präfrontalen Kortex
sind neuronale Hubs für das Wiedererkennen
Der mediale Teil des Temporallappens ist ein wichtiges Kontrollzentrum für das deklarative Gedächtnis. Er beinhaltet den Hippocampus, entorhinalen, perirhinalen und den parahippocampalen Kortex. Wir untersuchen wie lokale neuronale Netzwerke in dieser Formation mit einem anderen Bereich im Gehirn, dem präfrontalen Kortex, kommunizieren. Der Präfrontale Kortex erkennt dabei abstrakte Zusammenhänge zwischen den einzelnen Erinnerungen. Hierbei untersuchen wir auch wie sich die gehirnweiten Netzwerke mit dem Altern verändern.
Was ist ein Engram und wie verändert es sich im Alter?
Uns interessiert welche Neurone zusammengeschaltet werden um Informationen über die Umgebung zu speichern und welche zellulären Voraussetzungen hierfür nötig sind. Hierbei untersuchen wir wie sich Neurone innerhalb eines Gehirnareals zu einem sogenannten Engramm verbinden, und ob und wie Engramme aus entfernten Gehirnarealen miteinander interagieren und die Wiederkennung verbessern.
Warum gibt es interindividuelle Unterschiede bei der Wiederkennung
Die Ursache warum manche Leute ein besseres Gedächtnis haben als andere ist nicht im Detail verstanden. Natürlich können neurodegenerative Erkrankungen oder Tumore hier eine Rolle spielen. Aber auch bei gesunden Individuen können diese kognitiven Fähigkeiten unterschiedlich ausgeprägt sein. Interessanterweise treten solche individuellen Unterschiede auch in weiten Teilen des Tierreichs auf – wie auch in unserem Modellsystem der Maus.
Vorherige neurophysiologische Untersuchungen weisen darauf hin, dass die vorrangegangene neuronale Aktivität und der Erregbarkeitszustand der Neurone vor dem Reiz von entscheidender Bedeutung sind, ob ein Neuron in ein Engramm eingebaut wird (Josselyn et al. Science 2020). Wir vermuten, dass auch die Größe eines Engramms und die Kommunikation zwischen Engrammen aus dem Hippocampus und präfrontalen Kortex beim effizienten Wiedererkennen eine wichtige Rolle spielen. Mit optogenetischen Techniken können wir die Kommunikation zwischen entfernten Gehirnarealen zeitweise ausschalten (Klavir & Prigge et al, Nature Neuroscience 2017) und mit molekularer Bildgebung einzelne Engramme identifizieren (Beer and Vavra, Plos Biology, 2018).
Die Ziele des Projektes
Wir wollen untersuchen, welche neuronalen Bedingungen die Leistung einzelner Individuen beim Wiedererkennen beeinflussen. Hierfür benutzen wir das Wiedererkennen von Objekten als ein Modell. Wir konzentrieren uns darauf diese Unterschiede zu identifizieren und sie dann spezifisch zu beeinflussen. Zum Beispiel versuchen wir mit optischen Techniken und molekularer Bildgebung das Formen von neuronalen Engrammen zur Objekterkennung zu beeinflussen und somit die Gedächnisleistung gerade im Alter zu verbessern. Wir benutzen ebenso optisches Priming von gehirnweiten axonalen Verbindungen, in vitro Elektrophysiologie und kognitives Training um das Gedächtnis für das Wiedererkennen zu verbessern.
Kognitives Training
und Transfer
Da davon ausgegangen wird, dass der Informationsfluss innerhalb des Hippocampus sowie zwischen Hippocampus und präfontalem Kortex eine entscheidende Rolle beim Wiedererkennen spielt, wollen wir prüfen ob Interventionen wie kognitives Training oder Gehirnstimulation die synaptischen Verbindungen zwischen und innerhalb von Engramm-Netzwerken verbessern kann. Kognitives Training bedeutet, dass eine kognitive Aufgabe, beispielsweise die Objektwiederkennung, wiederholt durchgeführt wird, und sich die Leistung in dieser Trainings-Domäne dadurch verbessert. Entscheidend ist hierbei, dass durch einen sogenannten kognitiven Transfer auch neuronale Schaltkreise verbessert werden, die in einer anderen Domäne angesiedelt sind wie zu Beispiel dem räumlichen oder dem temporalen Gedächtnis. Wir glauben, dass sich neuronale Engramme für die verschiedenen kognitiven Domänen teilweise überlappen und sich dadurch eine Verbesserung in der kognitiven Domäne einstellt. Gerade bei älteren Tieren bei welchen die Engramme künstlich vergrößert wurden, kann sich dieser Effekt verstärken.
Wie können neuronale
Engramme identifiziert werden
Um jene zellulären Strukturen zu identifizieren, welche aktiv sind, wenn neue Reize exploriert werden, benutzen wir optische und genetische Methoden um diese Neurone zu markieren. Durch genetische Methoden wie zum Bespiel dem Nachweis von angeschalteten Genen, die eine Gedächtnisspur sichtbar machen, können wir Engramme präzise identifizieren. Mit einem fluoreszierten Protein, das seine Farbe verändert, wenn die Zellen aktiv sind (CaMpari), können wir Neurone markieren, die während des Erkennens aktiv waren und anschließend mit Elektrophysiologie die zellulären Eigenschaften auslesen. Diese Experimente werden am Nagetier durchgeführt. Die Information, welche Gehirnareale aktiv sind, kann aber in enger Kooperation mit humanen Projekten wie B02, welche die funktionale Magnettomographie verwenden, abgeglichen werden.
Sheena A Josselyn, Memory engrams: Recalling the past and imagining the future, SCIENCE, 3 Jan2020, Vol 367, Issue 6473
Beer Z, Vavra P, Atucha E, Rentzing K, Heinze HJ, Sauvage MM, The memory for time and space differentially engages the proximal and distal parts of the hippocampal subfields CA1 and CA3,PLoS Biol 16(8): e2006100
Klavir O, Prigge M, Sarel A, Paz R, Yizhar O., Manipulating fear associations via optogenetic modulation of amygdala inputs to prefrontal cortex, Nat Neurosci. 2017 Jun;20(6):836-844
Ein Blick in die Zukunft
Durch die enge Zusammenarbeit mit anderen Teilprojekten des SFB1436, versuchen wir grundlegende Mechanismen zu verstehen, die uns helfen das Wiedererkennen in Nagetieren und Menschen nachzuvollziehen. Wir glauben, dass die interindividuelle Variabilität uns hilft diese Mechanismen zu identifizieren und zu reflektieren. Zukünftig hoffen wir unsere Erkenntnisse auf den Menschen zu übertragen und, dass durch individualisiertes kognitives Training oder nicht-invasive Gehirnstimulation neuronale Mechanismen angeregt werden können, die es uns erlauben kognitive Fähigkeiten zu verbessern und der Verschlechterung des Wiedererkennens im Alter entgegenzuwirken.