Der Beitrag des noradrenergen Systems zur neuralen Ressource im Alter

A08

graphical abstract of The noradrenergic system and the contribution to neural resource in ageing

Die Intaktheit des noradrenergen Locus coeruleus (LC-NA) Systems im Gehirn ist ein wichtiger Faktor zum Erhalt der kognitiven Fähigkeiten im Alter. Es muss jedoch noch untersucht werden, ob eine pharmakologische Modulation des LC-NA-Systems oder kognitive Trainingsinterventionen, die auf einer Steigerung der Noradrenalin (NA)-Funktion abzielen, einen kognitiven Rückgang im Alter verhindern können. Unser Projekt untersucht, ob das LC-NA-System Potenzial zur Steigerung der neuronalen Ressourcen im Alter bietet. Dies untersuchen wir durch pharmakologische NA-Intervention sowie durch Trainings kognitiver Funktionen von denen bekannt ist, dass sie das LC-NA-System rekrutieren.

Gruppenleitung

SFB 1436 Mitglied Matthew Betts

Dr. Matthew Betts

SFB 1436 Mitglied Dorothea Hämmerer

Prof. Dr. Dorothea Hämmerer

Dr. Matthew Betts

Matthew ist Principal Investigator am Institut für Kognitive Neurologie und Demenzforschung (IKND) an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg (OVGU). Er leitet ein Forschungsprogramm, das darauf abzielt zu verstehen, wie strukturelle Veränderungen subkortikaler neuromodulatorischer Systeme mit dem kognitiven Abbau im Alter und mit den klinischen und pathologischen Manifestationen neurodegenerativer Erkrankungen zusammenhängen. Dabei werden neuartige strukturelle MR-Bildgebungstechniken mit Ultrahochfeld-MRT, PET-Bildgebung, Liquor-Biomarker und Verhaltensaufgaben kombiniert. Er ist Mitbegründer des Locus Coeruleus Imaging Meeting, das Kliniker, Neuropathologen, Physiker und kognitive Neurowissenschaftler zusammenbringt, um die Rolle des noradrenergen Locus Coeruleus bei neurodegenerativen Erkrankungen besser zu verstehen.

Prof. Dr. Dorothea Hämmerer

Dorothea Hämmerer hat an der Universität Trier, der Universität Paris X Nanterre, und der Universität Freiburg Psychologie studiert. Mit Beginn Ihrer Doktorarbeit am Max-Planck Institute fuer Human Development im Jahr 2006 setzt sie kognitiv-neurowissenschaftliche Methoden ein, um zu verstehen, warum wir zu unterschiedlichen Lebensaltern unterschiedliche kognitive Fähigkeiten haben. Ihre post-doc Studien haben Dorothea Hämmerer an die Technische Universität Dresden, das University College London (Institute for Cognitive Neuroscience und Welcome Trust Centre for Neuroimaging) sowie das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen in Magdeburg geführt. Sie haben ihr ermöglicht, ihre Fähigkeiten zur Magnetresonanzbildgebung und zur physiologischen und kognitiven Erfassung des Alterns und der Demenz zu erweitern. Mit dem Institute for Cognitive Neuroscience in London und dem Institut für Kognitive Neurowissenschaften unterhält sie auch momentan noch enge kollaborative Beziehungen.

In Ihrer Forschung versucht Dorothea Hämmerer zu verstehen, wie Altersunterschiede im Gehirn, insbesondere in neuromodulatorischen Systemen, Altersunterschiede in kognitiven Funktionen, insbesondere in der Aufmerksamkeitskontrolle, Entscheidungsfindung und im Gedächtnis über die gesamte Lebensspanne beeinflussen. Zusammen mit ihren Kollaborationspartnern entwickelt sie hierzu kognitive Paradigmen sowie nicht-invasive Bildgebungsmethoden, die Korrelate einzelner neuromodulatorischer Systeme (vor allem Dopamin und Noradrenalin) gezielter erfassen können. Neuromodulatorische Systeme sind aus bisher unbekannten Gründen besonders vulnerabel im Alter und gehören zu den am frühesten und am stärksten betroffen Hirnregionen in neurodegenerativen Erkrankungen wie der Parkinson- und Alzheimerdemenz. In ihrer aktuellen Forschung konzentriert sich Prof.  Hämmerer vor allem auf die Erforschung des noradrenergen Locus Coeruleus und setzt strukturelle und funktionelle Bildgebungsmethoden ein, um die frühesten kognitiven und neurophysiologischen Veränderungen in neurodegenerativen Erkrankungen abzubilden. Sie ist Mitbegründerin des Magdeburg Locus Coeruleus Imaging Meetings das, Kliniker, Tierforscher, Physiker und kognitive Neurowissenschaftler zusammenführt, um zu versuchen, die Rolle des noradrenergen Locus Coeruleus in neurodegenerativen Erkrankungen besser zu verstehen. Ihre Forschung wurde mit dem Brenda Milner Award und einem Senior Research Fellowship von Alzheimer Research UK ausgezeichnet. 

Gruppenmitglieder

SFB 1436 Mitglied Guruprasath Gurusamy

Guruprasath Gurusamy

SFB 1436 Mitglied Marina Leiman

Marina Leimann

SFB 1436 Mitglied Hartmut Schütze

Dr. Hartmut Schütze

Guruprasath Gurusamy

Guru machte seinen Bachelor of Technology in Bioengineering an der Sastra University und seinen Master of Technology in Biomedical Engineering an der SRM University, Tamil Nadu, Indien. Derzeit arbeitet er mit Dr. Matthew Betts im CRC1436, IKND, zusammen, um den Beitrag des noradrenergen Systems zu den neuronalen Ressourcen im Alter zu verstehen, indem das Locus Coeruleus-Norepinephrin-System (LC-NA) durch körperliche Bewegung und kognitive Intervention moduliert wird. Er interessiert sich für die Erforschung der neuronalen, kognitiven und verhaltensbezogenen Marker des Alterns und der Demenz unter Verwendung physiologischer, psychophysischer und MRI (Magnetresonanztomographie)-Maßnahmen.

Marina Leimann

Marina Leiman hat Psychologie und klinische Neuropsychologie an der Universität Buenos Aires, Argentinien studiert und zusätzlich einen Master in Verhaltenswissenschaften an der Universität Almería, Spanien erworben.

Ihre Interessen liegen dabei auf dem menschlichen Verhalten und der Kognition, insbesondere die Erforschung des gesunden Alterns. Auch neurodegenerative Krankheiten faszinieren sie, weshalb sie eine Forschungslaufbahn in den translationalen Neurowissenschaften einschlagen möchte, um zur Verbesserung der öffentlichen Gesundheitspolitik und des Gesundheitssystems beizutragen.

Derzeit ist Marina Doktorandin am IKND und konzentriert sich in ihrem Projekt auf die Untersuchung noradrenerge Signalwege zur Verbesserung der Kognition bei älteren Menschen.

Was ist der Locus coeruleus?

Der Locus coeruleus (LC), eine kleine Hirnstruktur, der sich tief im Hirnstamm befindet, unsereHauptquelle der Noradrenalin (NA)-Modulation im Gehirn ist. Der LC ist an der Regulierung einer Vielzahl höherer kognitiver Funktionen beteiligt, wie zum Beispiel Arbeitsgedächtnis, Lernen, Aufmerksamkeit, sowie Gedächtniskonsolidierung und -abruf (für Übersichtsarbeiten siehe Sara, 2009; Mather & Harley, 2016; Betts et al., 2019).

Was wissen wir über die Rolle des Locus coeruleus in Kognition und Hirngesundheit?

Eine Kernfunktion des LC besteht darin, die Verarbeitung (emotional) salienter Ereignisse zu unterstützen (Arnsten, 1998; Luo et al., 2015). Innerhalb des LC-NA Netzwerkes kann eine Erhöhung extrazellulären NAs durch LC-Aktivierung die neuralen Ressourcen über die Aktivierung von α- und ß-Adrenorezeptoren zum Beispiel im präfrontalen Kortex und Hippocampus erhöhen, um das Arbeitsgedächtnis (Ramos & Arnsten, 2007) und das episodische Gedächtnis (Luo et al., 2015) salienter Ereignisse zu unterstuetzen. Eine Stärkung des LC-NA-Systems kann auch die kognitive Leistung steigern kann, indem die funktionelle Konnektivität von Gehirnregionen neu organisiert wird, die an bestimmten kognitiven Prozessen beteiligt sind. Beispielsweise hat sich gezeigt, dass pharmakologische Erhöhungen von NA die Konnektivität zwischen frontalen und parietalen Regionen während einer visuellen Aufmerksamkeitsaufgabe unterstützen (Coull et al., 1999). Darüber hinaus deuten neuere Erkenntnisse darauf hin, dass altersbedingte Unterschiede in LC-NA mit reduzierten kognitiven Fähigkeiten im episodischen Gedächtnis (Hämmerer et al., 2018; Dahl et al., 2019) und kognitiver Reserve einhergehen(Robertson, 2013; Wilson et al al., 2013; Clewett et al., 2016).

Die NA-Modulation ist aber auch aufgrund ihrer entzündungshemmenden Eigenschaften und ihrer Rolle bei der Unterstützung der lokalen Gefäßfunktion wichtig für die langfristige Erhaltung der Gesundheit des Gehirns (Satoh & Iijima, 2017). Dies ist besonders relevant im Alter, da Tierversuche zeigen, dass die Kombination aus niedrigeren NA-Levels und höheren altersbedingten Pathologien wie Amyloid-beta (Aß) oder Neurofibrillary Tangles (NTF) due Ausbreitung von Proteinpathologien beschleunigen und mit erhöhter mikroglialer und neurovaskulärer Dysfunktion einhergehen (Chalermpalanupap et al., 2017; Satoh & Iijima, 2017; Weinshenker, 2018)

Die Ziele unseres Projektes

Die Integrität des LC-NA-Systems ist wichtig für die Bestimmung der kognitiven Fähigkeiten im späteren Leben. Es muss jedoch noch untersucht werden, ob eine pharmakologische Modulation des LC-NA-Systems oder kognitive Trainingsinterventionen, die auf die Steigerung der NA-Funktion zugeschnitten sind, einen kognitiven Rückgang im Alter verhindern können. Das vorgeschlagene Projekt zielt darauf ab, zu untersuchen, ob das NA-System verborgenes Potenzial zur Steigerung der neuronalen Ressourcen im Alter bietet. Dies wird erreicht, indem die NA-Funktion pharmakologisch erhöht wird, sowie durch das Training bestimmter kognitiver Funktionen, von denen bekannt ist, dass sie das LC-NA-System rekrutieren. Unser Ziel ist es, die Bewertung kognitiver und physiologischer Veränderungen auf bekannte neurophysiologische Wirkungen von NA-Funktionssteigerungen (z. B. in Bezug auf eine erhöhte funktionelle Aktivität / Konnektivität) zuzuschneiden und die funktionellen Auswirkungen eines pharmakologisch oder durch kognitives Training gesteigerten NA-Spiegels im Kontext einer facettenreichen Bewertung interindividueller Unterschiede in der Integrität des LC-NA-Systems zu untersuchen. Wir werden ausserdem untersuchen, ob sogenannte „Super Ager“ – Achtzigjährige mit weit überdurchschnittlichen kognitiven Leistungen – ein besonders intaktes noradrenerges System haben.

Langfristige Perspektive

Die langfristige Perspektive dieses Projekts besteht darin, zu untersuchen, ob die In-vivo-Charakterisierung des LC-NA-Systems Personen mit erhoehter neuronaler ressource im höheren Alter identifizieren kann und ob Interventionen zur Erhöhung des NA-Spiegels klinischen oder Risikopopulationen im Alter zugute kommen können. In Zukunft wollen wir deshalb auch unser Verständnis der LC-vermittelten Plastizität in Zielbereichen von LC-Projektionen erweitern, einschließlich des Verständnisses der Rolle der LC-vermittelten Dopaminfreisetzung und der Mechanismen, die die LC-Aktivierung regulieren. Wir wollen hierbei auch mit durch Ultrahochfeld-MRT untersuchen, wie die Verstärkung der noradrenergen Modulation die Aktivierung unterschiedlicher kortikaler Schichten beeinflusst. Tierversuche deuten darauf hin, dass noradrenerge Projektionen ihre kognitiven Wirkungen ausüben, indem sie den Signal-Rausch-Pegel von Neuronen insbesondere in Schicht 4 des Kortex verändern (Berridge & Waterhouse), dies muss jedoch beim Menschen noch untersucht werden.

Publikationen des Projektes A08